Research
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Ganztönige Diatonik?

Die hexatonische oder Ganztonleiter (Modus 1 nach Messiaen) ist nicht eigentlich diatonisch, sondern eine symmetrische Skala, die aus einer äquidistanten Teilung der Oktave in sechs Abschnitte entsteht. Dies resultiert in Stufen, die um jeweils zwei Halbtonschritte auseinander liegen – eine Eigenschaft, die der gängigen Definition von Diatonik als Unterkategorie von Heptatonik widerspricht, denn eine diatonische Skala erfordet sieben diskrete Stammtöne mit Ganz- und Halbtonschritten in eindeutiger Alteration. Dennoch ist es möglich, eine Ganztonleiter aus diatonischem Material zu konstruieren, wie ich im Folgenden zeigen möchte.

Zu diesem Zweck verwende ich die Tetrachordtheorie. Ein Tetrachord besteht aus vier benachbarten diatonischen Stufen im Ambitus einer reinen oder übermäßigen Quarte, wobei vier Varianten möglich sind, die sich durch die Existenz und Position eines Halbtonschritts unterscheiten: ionisch (2 2 1), dorisch (2 1 2), phrygisch (1 2 2) und lydisch (2 2 2: ohne Halbtonschritt). Wenn wir eine diatonische Skala als Kombination zweier disjunkter und um eine reine Quinte gegeneinander transponierter Tetrachorde betrachten, gibt es sieben Kombinationen, durch die sich die sieben diatonischen Modi bilden lassen – Äolisch besteht etwa aus einem unteren dorischen und einem oberen phrygischen Tetrachord, während Mixolydisch aus einem unteren ionischen und einem oberen dorischen Tetrachord besteht. Die achte Kombination hingegen verbindet zwei lydische Tetrachorde zu einer nichtdiatonischen Ganztonleiter, vorausgesetzt, man lässt die Transposition des oberen Tetrachords um eine verminderte (statt reine) Quinte zu. Die resultierende Skala (2 2 2 0 2 2 2) besitzt sechs Tonhöhen, verwendet aber dennoch alle sieben Stammtöne und weist in der Mitte eine verminderte Sekunde fisges auf. In ihrer plagalen Variante umfasst die Skala den Ambitus einer übermäßigen Septime gesfis.

Vogelgesang am Klavier

Mit Vergnügen darf ich ankündigen, dass ich eine Neuausgabe von Milij Balakirevs Klaviertranskription des Liedes Žavoronok (Die Lerche) von Michail Glinka anfertigen werde, die im G. Henle Verlag erscheinen soll. Das Autograph und die Erstausgabe, gedruckt 1864 in Sankt Petersburg, gelten als verschollen – ich werde mich also auf andere Drucke aus dem späten neunzehnten Jahrhundert stützen müssen, darunter eine Edition von Gutheil mit diesem zauberhaften Jugendstil-Titelblatt. Ich freue mich sehr auf die Arbeit an diesem Projekt.

Metner: Ein Moskauer in Berlin

Ich habe versucht, die vergangenen Tage der pandemischen Isolation zu einem produktiven Zweck zu nutzen, und meine längliche Studie zu Nikolai Metners Berliner Zeit von 1921–1924 zu Ende geschrieben. Diese faszinierende Beschäftigung ließ mich in eine nicht ganz so gut erforschte Phase der Biographie des Komponisten eintauchen und einige in seiner Korrespondenz und in der russischsprachigen Erinnerungsliteratur verborgene Details und Gegebenheiten näher beleuchten. Für diejenigen unter euch, die es interessieren mag, steht auf dem Portal academia.edu ein Preprint des Artikels zum Lesen und Kommentieren zur Verfügung. Ich bin gespannt auf Anmerkungen und Anregungen!

Feste auf die Schrift

Hiermit sei euch zur Kenntnis gebracht, dass meine Besprechung der berüchtigten Festschrift für Siegfried Mauser in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Die Musikforschung erschienen ist: Jg. 73, Nr. 1 (2020), 65–67. Es gibt keine digitale Version, soweit mir bekannt ist – lasst es mich wissen, wenn ihr die Rezension lesen möchtet und keinen Zugang zu der Zeitschrift habt. #criticbait

Vortrag über Metner in Leipzig

Liebe Menschen, die ihr der russischen Musik zugewandt seid: Dies ist eine Einladung zu meinem bevorstehenden Vortrag am Donnerstag, 30. Januar, 15 Uhr, anlässlich dessen ich mich erstmals in biographische Studien vertiefen werde. Im Rahmen einer Tagung über Emigration von Künstler_innen aus Osteuropa am Zentrum für Musikwissenschaft der Universität Leipzig werde ich ein englischsprachiges Paper mit dem Titel »Decision, Hope, and Resignation« präsentieren, das den Aufenthalt Nikolaj Metners in Berlin (1921–1924) und die damit verknüpften persönlichen und künstlerischen Entwicklungen zum Gegenstand hat. Der Eintritt ist frei, und auch das übrige Tagungsprogramm, das Aspekte der Emigrant_innenkultur aus Polen, Litauen, Slowenien und Ungarn abdeckt, ist vielversprechend. — Das vollständige Programm ist hier einsehbar.