Wendelin Bitzan

Wendelin Bitzan

Wandel an den Berliner Musikschulen?

Derzeit geschieht etwas an den öffentlichen Musikschulen Berlins, das seit einiger Zeit nicht mehr vorgekommen ist: Es werden Festanstellungen vorgenommen. An der Tatsache, dass die kommunale Musikausbildung fast vollständig in den Händen von Freiberuflern liegt, wird sich allerdings auf absehbare Zeit nichts ändern, auch wenn der Anteil der im Angestelltenverhältnis tätigen Mitarbeiter an den Bezirksmusikschulen nun von 7% auf 20% erhöht werden soll. Abgesehen von einer seltsamen Kontroverse zwischen Senat und Musikverbänden, wie vielen Vollzeitäquivalenten dieser Zuwachs entspricht, bleiben einige weitere Fragen offen. Sollten die neu geschaffenen Stellen öffentlich ausgeschrieben werden oder gezielt den freien Mitarbeiten einer Musikschule zu Gute kommen? Ist es hinnehmbar, wenn Bewerber_innen nur auf Grundlage eines Vorstellungsgesprächs eingestellt werden, ohne ihre Qualifikation in einer Lehrprobe oder einem Vorspiel nachzuweisen? Und schließlich: Weshalb werden Festanstellungen als wichtiger angesehen als grundsätzliche Fragen zum Qualitätsmanagement und zur Nachhaltigkeit der musikalischen Grundausbildung?

Erkundung symbolistischen Kunstschaffens

Am kommenden Wochenende werde ich bei der XII. Weimarer Tagung für Musiktheorie, die sich dem Themenfeld ›Klang und Bild‹ widmet, ein Referat mit dem Titel »Farbe – Wort – Klang. Zur Intermedialität von Sinneswahrnehmungen und Gattungsbegriffen in osteuropäischer Kunst des Fin de siècle« präsentieren. Wenn ihr geneigt seid, mit mir das Schaffen von Skrjabin, Metner, Bal’mont, Belyj, Kandinskij, Čiurlionis und anderen symbolistischen Künstlern zu diskutieren, und von der unangenehm frühen Anfangszeit nicht abgeschreckt seid, würde ich mich über eure Gesellschaft freuen! Dann und dort: Sonntag, 4. März 2018, 9 Uhr, Klostergebäuse am Palais der Hochschule für Musik Weimar.

Über künstlerische Exzellenz

Im letzten Jahr haben Helge Harding und ich einen Essay über zeitgemäße Musikpädagogik, Beurteilung und Bewertung musikalischer Leistungen, Qualitätsmanagement der Lehre und generelle Fragen der künstlerischen Exzellenz geschrieben. Der Text ist nun als Leitartikel in der jüngsten Ausgabe des Magazins Üben & Musizieren erschienen und wird demnächst über die Webseite von Schott Music verfügbar sein. Bis dahin steht euch dieser PDF-Volltext zur Verfügung. Ich bin gespannt auf eure Kommentare und Meinungen!

Das Prekariat des Operngesangs

In ihrer aufschlussreichen Reportage über Karrieren von Opernsängerinnen und Opernsängern porträtiert Emilia Smechowski fünf ehemalige Studierende der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Die Protagonist_innen werden namentlich genannt und mit einigen sensiblen bzw. sehr persönlichen Äußerungen zitiert. Selbstverständlich ist eine öffentliche Diskussion über Konkurrenzdruck, Ellbogenmentalität und ungesunde Arbeitsbedingungen im klassischen Musikbetrieb höchst wünschenswert, und der Artikel gibt wertvolle Einblicke, die anderswo nicht in dieser Form zu finden sind. Gleichzeitig wirft der Text die Frage auf, ob die Quellen nicht besser anonym zitiert worden wären – die Autorin gibt sich als Studienkollegin der Interviewten aus, die sich zum Teil in unangemessener Weise dargestellt sehen, so dass zweifelhaft bleibt, ob es sich hier um unparteiischen Journalismus handelt.

Gute und schlechte Führung

Teile des klassischen Musiklebens zeigen sich in einem elenderen Zustand denn je. Norman Lebrecht hat einen durch und durch vulgären Artikel über Sexualität und Machtmissbrauch bei Dirigenten veröffentlicht, in dem er Sex als »eine der Vergütungen des Dirigierens« bezeichnet und sich ausführlich über den »mächtigen Zusammenhang zwischen Dirigentenstäben und Penissen« auslässt. Der Autor, ein Kenner und scharfer Beobachter des Metiers, scheint selbstverständlich vorauszusetzen, dass die Leitung eines Orchesters Potenz erfordert, und impliziert, dass Dirigenten, die keine Frauen belästigen, ein »ziemlich langweiliges Leben« führen (alle Zitate in meiner Übersetzung). Mr. Lebrecht, auch wenn Sie es sich nicht vorstellen können: Das Fehlverhalten von Dirigenten ist weder ein Resultat von mangelnder Geschlechtergerechtigkeit, noch wird es sich maßgeblich durch einen höheren Anteil von Dirigentinnen verbessern lassen. Im Gegenteil – Ursache des Problems ist tiefverwurzelte Frauenverachtung, die durch Meinungen wie die Ihre noch befeuert wird. Es ist an der Zeit, die gesamte vorsintflutliche Maestro-Attitüde und alle damit verbundenen Macht- und Abhängigkeitsmechanismen über Bord zu werfen, wie es Barbara Hannigan bereits gefordert hat. Dirigenten sind Musiker, nicht mehr und nicht weniger, und wir sollten sie nicht als Herrscher über das Orchester ansehen, sondern vielmehr als künstlerische Partner auf Augenhöhe.