Teaching
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Gedanken zur Musikgenerierung mit KI

Bislang besitzt künstliche Intelligenz, die auf die Produktion von ›Musik‹ ausgelegt ist, aus meiner Sicht keine maßgebliche Bedeutung, die über bloße Spielerei hinausgeht. In den Bereichen, die mich als Lehrenden und Musikforscher am meisten interessieren – historische Satzlehre, Analyse mit Hilfe von Strategien aus der Entstehungszeit der Musik, Methodik des Musiktheorieunterrichts – hat KI nicht viel zu bieten. Zudem teile ich nicht die Ansicht, dass menschliche Kreativität potentiell redundanzgefährdet oder in ihrem Stellenwert bedroht sei, wenn es um die Generierung akustischer ›Musikaufnahmen‹ auf Grundlage von historischen Modellen der musikalischen Form, Harmonik und Stimmführung geht. Aus dieser Perspektive sind die Ergebnisse, die ich bisher erlebt habe, größtenteils flach und uninspirierend und lassen eine angemessene Realisierung wesentlicher Stilmerkmale weitgehend vermissen. Während Tools wie Suno oder Udio durchaus beeindruckende Resultate in bestimmten populären Stilistiken liefern können, scheitern sie noch spektakulär an Standardaufgaben der klassischen Satzlehre, wie etwa der Generierung eines dreistimmigen Fugenbeginns oder einer Sonatenexposition mit zwei Themen, modulierender Überleitung und plausibler motivischer Verarbeitung. Siehe diesen Link für ein Ergebnis meiner mühsamen Versuche, Suno den ersten Formteil eines klassischen Klaviersonatensatzes mit Übergang zur Oberquinttonart abzuringen.

Solange textprompt-basierte generative KI-Modelle durch solche offensichtlichen Einschränkungen gekennzeichnet sind, erscheinen sie größtenteils bedeutungslos für die akademische Lehre in den historisch fundierten Teilgebieten der Musiktheorie. Dennoch bin ich gespannt auf die Entwicklungen der nahen Zukunft. Wenn wir uns vorstellen, dass KI in der Lage wäre, etwas zu erzeugen, das wie ein idealtypisches Lehrbuchbeispiel für ein historisches Formmodell klingt – sagen wir, eine 16taktige dreiteilige Liedform oder ein schlichter Menuettsatz mit Reprise des Anfangsthemas –, könnten wir geeignetes Material für die Illustration elementarer Formfunktionen gewinnen, in Ermangelung tatsächlich existierender Musikbeispiele repräsentiert durch eine KI-Produktion, die lediglich das Modell abbildet, ohne dabei einen kompositorischen Personalstil auszuprägen. Wenn wir dieses Produkt dann mit einem tatsächlichen Werkbeispiel konfrontieren, das auf dem gleichen Formmodell basiert, aber die Gesetzmäßigkeiten des Idealtyps in vielerlei Hinsicht individualisiert oder überschreitet und erst dadurch als kreative Schöpfung erscheint, könnte ein solcher Vergleich tatsächlich einen produktiven Mehrwert bieten, indem er Studierenden ermöglicht, die Rolle formaler und satztechnischer Schemata für den Entstehungsprozess einer Komposition besser nachvollziehen und bewerten zu können.

Gedanken zum absoluten Gehör

Als bei mir im Kindesalter ein absolutes Gehör diagnostiziert wurde, nahm ich dies als selbstverständlich hin und hielt es für keine besonders bemerkenswerte Fähigkeit. Ich war so sehr daran gewöhnt, Tonhöhen nach Belieben identifizieren und hervorbringen zu können, dass es mich überraschte festzustellen, dass das bei anderen nicht so war. Als Jugendlicher wurde mir immer mehr bewusst, dass es eine seltene und recht merkwürdige Eigenschaft war, über die ich verfügte. Diese war zudem ein Nerdfaktor, der mit meinem ohnehin ausgeprägten Nonkonformismus korrespondierte, und wurde häufig als Ausweis von Talent oder besonderer Musikalität missverstanden (wobei mir bewusst war, dass das nicht zutraf). Manchmal war ich sogar genervt davon, dass Hören und musikalisches Erleben bei mir untrennbar mit einer unbestechlichen Tonhöhenwahrnehmung verbunden waren, die ich nicht einfach einmal abschalten konnte.

An der Musikhochschule war ich dann von einem deutlich höheren Anteil von Menschen mit vergleichbaren Fähigkeiten umgeben und erkannte, dass es bestimmte Herausforderungen gab, die mit dem Wechsel zwischen absoluten und relativen Hörperspektiven zu tun hatten. Aktivitäten wie das Verfolgen von Musik in historischen Stimmungen, das Singen in einem Chor, der die Tonhöhe nicht halten konnte, oder das Transponieren vom Blatt stellten mich vor einige Schwierigkeiten. Ich versuchte meine Hörfähigkeiten gezielt im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Tönen und in mehrstimmigen Zusammenklängen weiterzuentwickeln und mich auf strukturelle Aspekte von Musik anstatt auf Einzelereignisse zu konzentrieren. In diesem Zuge veränderte sich mein absolutes Gehör und wurde in manchen Bereichen weniger zuverlässig (etwa bei weniger vertrauten Klängen und Instrumenten oder beim Angeben von Tönen ohne Referenz), dies wurde aber aufgewogen durch eine größere Flexibilität und einen beträchtlichen Zugewinn an Hörstrategien. Ich lernte, mein Gehör an veränderte Stimmtonhöhen anzupassen und Tonaufnahmen älterer Musik in derjenigen Tonart wahrzunehmen, in der sie geschrieben war. Ein entscheidender Faktor in diesem Prozess war, so glaube ich, meine eigene Gesangspraxis in verschiedenen Chören und Ensembles.

Im Studium war das absolute Gehör für mich zwar relevant, aber keineswegs ausschlaggebend. Obwohl ich alle Gehörbildungsprüfungen mit Auszeichnung bestand, fragte ich mich gelegentlich, welche Bedeutung diese Fähigkeit eigentlich haben konnte. Sie war sehr hilfreich bei der alltäglichen musikalischen Praxis und ermöglichte mir etwa eine jederzeitige tonale Orientierung im Verlauf des Hörens längerer und harmonisch komplexer Musikstücke, schien mir aber beileibe nicht unverzichtbar. Als ich nach dem Studienabschluss selbst Musiktheorie und Gehörbildung zu unterrichten begann, war das Absoluthören kaum noch ein Thema. Meine Studierenden fragten kaum einmal danach, und ich sah keine Veranlassung, ihm gezielte Aufmerksamkeit zu widmen oder gar eine spezialisierte Lehrmethodik für Absoluthörer:innen zu entwickeln. Ich bin überzeugt, dass relative Hörfähigkeiten stets gezielt gefördert und so weit wie möglich entwickelt werden sollten, während das absolute Hören, sei es nun gegeben oder nicht, dies nicht erfordert. Folglich lehne ich auch die in manchen Umfeldern und Kulturkreisen vorhandene Vorstellung ab, dass ein absolutes Gehör in irgendeiner Weise für die Beurteilung musikalischer Fertigkeiten von Belang sei.

Formanalyse populärer Musik

Ich habe auf der Open Music Academy ein Überblickstutorial zur formalen Analyse von Popularmusik des 20. Jahrhunderts erstellt, in dem Formkonzepte wie Strophe und Refrain, AABA-Form, Verse-Chorus-Formen mit ihren verschiedenen Varianten sowie Strukturelemente von EDM-Produktionen thematisiert werden. Bisher vertretene Stilrichtungen sind das Broadway-Musical, Rock’n’Roll, Rock, Pop und Trance; die Musikbeispiele stammen aus Titeln von George Gershwin, Elvis Presley, Jimi Hendrix, The Beatles, ABBA und Faithless. Es handelt sich um meinen ersten ernsthaften Zugang zur Untersuchung von Popularmusik, folglich bin ich sehr dankbar für Hinweise und Anregungen – vor allem würde ich mich über Vorschläge zu geeigneten Beispielen aus den Bereichen Rap, Metal oder Punkrock freuen.

Neue Plugins in der Open Music Academy

Ich freue mich, einige Arbeitsergebnisse aus meinem Fellowship für Innovation in der digitalen Lehre an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf bekanntgeben zu können. Die freie Lernplattform Open Music Academy, derzeit als Projekt der Hochschule für Musik und Theater München betrieben, verfügt nun über vier neue Plugins, die persistente Benutzereingaben in Dokumenten erlauben: Formularfelder, Dateiupload und ein konfigurierbares Whiteboard. Diese sind ab sofort verfügbar, in geschützten oder kollaborativen Lernräumen einsatzbereit und beinhalten auch eine Kommentarfunktion für Beurteilungen und individuelles Feedback. Erstellt gern ein Benutzerkonto and probiert die neuen Funktionen aus!

Die Plugins werden, so hoffe ich, mit großem Nutzen für die Erstellung modularer Online-Tutorials, Lehrmaterialien und Aufgaben verwendet werden können. Ein herzlicher Dank geht an die Entwickler:innen, Andreas Helmberger und Adriana Luchian, für die höchst kompetente Realisierung, an Ulrich Kaiser für seine wertvolle Unterstützung und an einige meiner Kollegen aus der Musiktheorie-Abteilung der RSH, die die Entwicklung verfolgt und die neuen Funktionen getestet haben.

Einige Vorhaltungen über Nachhaltigkeit

Mein jüngster Artikel über prekäre Arbeitsbedingungen in der professionellen Musikausbildung ist im NOIES Musikszene NRW Magazin erschienen. Der Text nimmt die Situation der Musikhochschul-Lehrbeauftragten in den Blick – eine Statusgruppe, die 40–60 Prozent des gesamten Lehrdeputats schultert, aber keinen Zugang zur Sozialversicherung hat, während sie alle unternehmerischen Risiken der Freiberuflichkeit trägt. Nach einer Zusammenfassung der Ursprünge des Problems skizziere ich einige akademische und hochschulpolitische Handlungsoptionen und Denkansätze.