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Über künstlerische Exzellenz

Im letzten Jahr haben Helge Harding und ich einen Essay über zeitgemäße Musikpädagogik, Beurteilung und Bewertung musikalischer Leistungen, Qualitätsmanagement der Lehre und generelle Fragen der künstlerischen Exzellenz geschrieben. Der Text ist nun als Leitartikel in der jüngsten Ausgabe des Magazins Üben & Musizieren erschienen und wird demnächst über die Webseite von Schott Music verfügbar sein. Bis dahin steht euch dieser PDF-Volltext zur Verfügung. Ich bin gespannt auf eure Kommentare und Meinungen!

Das Prekariat des Operngesangs

In ihrer aufschlussreichen Reportage über Karrieren von Opernsängerinnen und Opernsängern porträtiert Emilia Smechowski fünf ehemalige Studierende der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Die Protagonist_innen werden namentlich genannt und mit einigen sensiblen bzw. sehr persönlichen Äußerungen zitiert. Selbstverständlich ist eine öffentliche Diskussion über Konkurrenzdruck, Ellbogenmentalität und ungesunde Arbeitsbedingungen im klassischen Musikbetrieb höchst wünschenswert, und der Artikel gibt wertvolle Einblicke, die anderswo nicht in dieser Form zu finden sind. Gleichzeitig wirft der Text die Frage auf, ob die Quellen nicht besser anonym zitiert worden wären – die Autorin gibt sich als Studienkollegin der Interviewten aus, die sich zum Teil in unangemessener Weise dargestellt sehen, so dass zweifelhaft bleibt, ob es sich hier um unparteiischen Journalismus handelt.

Gute und schlechte Führung

Teile des klassischen Musiklebens zeigen sich in einem elenderen Zustand denn je. Norman Lebrecht hat einen durch und durch vulgären Artikel über Sexualität und Machtmissbrauch bei Dirigenten veröffentlicht, in dem er Sex als »eine der Vergütungen des Dirigierens« bezeichnet und sich ausführlich über den »mächtigen Zusammenhang zwischen Dirigentenstäben und Penissen« auslässt. Der Autor, ein Kenner und scharfer Beobachter des Metiers, scheint selbstverständlich vorauszusetzen, dass die Leitung eines Orchesters Potenz erfordert, und impliziert, dass Dirigenten, die keine Frauen belästigen, ein »ziemlich langweiliges Leben« führen (alle Zitate in meiner Übersetzung). Mr. Lebrecht, auch wenn Sie es sich nicht vorstellen können: Das Fehlverhalten von Dirigenten ist weder ein Resultat von mangelnder Geschlechtergerechtigkeit, noch wird es sich maßgeblich durch einen höheren Anteil von Dirigentinnen verbessern lassen. Im Gegenteil – Ursache des Problems ist tiefverwurzelte Frauenverachtung, die durch Meinungen wie die Ihre noch befeuert wird. Es ist an der Zeit, die gesamte vorsintflutliche Maestro-Attitüde und alle damit verbundenen Macht- und Abhängigkeitsmechanismen über Bord zu werfen, wie es Barbara Hannigan bereits gefordert hat. Dirigenten sind Musiker, nicht mehr und nicht weniger, und wir sollten sie nicht als Herrscher über das Orchester ansehen, sondern vielmehr als künstlerische Partner auf Augenhöhe.

Die Schlangengrube der klassischen Musik

Dieser Blogpost rekapituliert die Kontroverse um ein Shred-Video, wie sie sich derzeit im Umfeld der Berliner Musikszene vollzieht. Die Angelegenheit gewinnt mit jedem Tag an Komplexität, und ich werde weitere Entwicklungen und Reaktionen hier dokumentieren. Einstweilen bin ich gespannt, eure Meinungen dazu zu erfahren.

26. Dezember 2017 – Der Moderator und Komponist Arno Lücker und die Geigerin Carlotta Joachim produzieren einen anzüglichen Shred einer Videodarbietung von Daniel Hope und Ludovico Einaudi, der im Bad Blog of Musick der Neuen Musikzeitung publiziert wird.
28. Dezember – Hope veranlasst, dass Lücker den Shred nach nur wenigen Stunden und nur etwa 70 Zugriffen aus dem Netz nimmt. Er alarmiert außerdem seine Anwälte, die eine strafbewehrte Unterlassungserklärung schicken. Lücker teilt seine Erfahrungen mit Freunden und Bekannten im Netz.
In den folgenden Tagen – In den sozialen Netzwerken wird das Thema ausführlich diskutiert. Die meisten Kommentierenden ergreifen Partei für Lücker und verurteilen Hopes Verhalten. Der Blogger Alexander Strauch engagiert sich besonders intensiv in dieser Angelegenheit.
12. Januar 2018 – Lücker erfährt von Sebastian Nordmann, dem Intendanten des Berliner Konzerthauses, dass seine freie Mitarbeit als Moderator und Kurator einer Veranstaltungsreihe nach dieser Saison beendet werden wird. Es ist unklar, ob Hope, der ebenfalls regelmäßig im Konzerthaus auftritt, auf diese Entscheidung Einfluss genommen hat.
15. Januar – Moritz Eggert veröffentlicht einen offenen Brief im Bad Blog of Musick, in dem er Hope für die Trennung des Konzerthauses von Lücker verantwortlich macht, den Shred und seine Ästhetik verteidigt und für eine Beilegung des Konflikts eintritt.
15. Januar – Albrecht Selge berichtet über den Fall in seinem Blog Hundert11: Konzertgänger in Berlin.
16. Januar – Sebastian Nordmann hinterlässt einen Kommentar im Bad Blog, in dem er Lückers Kündigung rechtfertigt und den Humor des Shreds als inkompatibel mit dessen Aufgaben am Konzerthaus bezeichnet.
16. Januar – Robert Jungwirth berichtet über den Fall auf KlassikInfo.
17. Januar – Norman Lebrecht berichtet über den Fall in einem Blogpost auf Slippedisc, der mehrere falsche Darstellungen enthält.
17. Januar – Daniel Hope kommentiert Lebrechts Post und gibt bekannt, dass Lücker sich persönlich bei ihm entschuldigt habe und die Sache für ihn damit erledigt sei. Der juristische Fortgang bleibt allerdings unklar.
17. Januar – Marlene Fercher schreibt bei BR Klassik über den Fall und berichtet, dass Lückers Veröffentlichungen bei der Neuen Musikzeitung künftig vom Herausgeber freigegeben werden müssen.
17. Januar – Jens Laurson steuert eine scharfsinnige Analyse des Falles im Forbes Magazin bei.
18. Januar – Theo Geißler, der Herausgeber der Neuen Musikzeitung, distanziert sich in einem Post auf seinem Facebook-Profil von Lücker. Dieser Beitrag wird 15 Minuten später bereits wieder gelöscht.
18. Januar – Jeffrey Arlo Brown und Hartmut Welscher veröffentlichen einen Artikel im VAN Magazin und berichten, dass Clemens Trautmann, der Präsident von Hopes Plattenfirma Deutsche Grammophon, bei der Neuen Musikzeitung interveniert habe mit dem Ziel, Lückers Rauswurf als Autor zu erwirken.
19. Januar – David Sanderson berichtet über den Fall in der Londoner Times.
19. Januar – Die Angelegenheit wird nun ein wenig transparenter. Ein Artikel von Michael Cooper in der New York Times gibt ein Telefonat mit Hope wieder, der von einer weiteren Verfolgung Lückers durch seine Anwälte absieht. Allerdings gibt er an, nicht für die Beendigung von dessen Arbeit am Konzerthaus verantwortlich zu sein.
19. Januar – Arno Lücker und Carlotta Joachim veröffentlichen auf YouTube ein weiteres Shred-Video auf der Grundlage einer Darbietung von Anne-Sophie Mutter und Lambert Orkis. Es wird etwa 12 Stunden nach dem Upload wieder gelöscht.
20. Januar – Carlotta Joachim schreibt eine Stellungnahme für den Bad Blog of Musick, in der die Entstehungsumstände und Absichten des Hope-Shreds genauer erläutert werden.
20. Januar – Lücker und Joachim besuchen ein Konzert Daniel Hopes in Essen und treffen ihn im Anschluss zu einer versöhnenden Aussprache. Die Frage bleibt bestehen, ob und inwiefern die Pressefreiheit der Neuen Musikzeitung manipuliert worden ist.
22. Januar – Niklas Rudolph kommentiert den Fall im Deutschlandfunk.
22. Januar – Alexander Strauch fasst die gesamte Affäre in einem Blogpost auf seiner Webseite zusammen, kommentiert insbesondere die mutmaßlichen Verletzungen von Grundrechten und übt Kritik an der bisherigen Berichterstattung.

Ein delikates Vorsingen

Ich bin von meiner Alma mater eingeladen worden, mich im Rahmen des Berufungsverfahrens für eine Musiktheorie-Professur vorzustellen. Dies kommt, nach meinem nicht gerade ungetrübten Rückzug von dieser Institution im vergangenen Sommer, durchaus überraschend. Selbstverständlich nehme ich die Herausforderung an und werde mir ein hübsches Lehrpröbchen ausdenken, um mich nach Möglichkeit unvergesslich zu machen. Mal sehen, wie es läuft … Übrigens ist diese Ankündigung keineswegs ein datenschutzrechliches Problem, da die Fakultätsleitung die Namen aller für diese Stelle eingeladenen Kandidat_innen öffentlich am Schwarzen Brett ausgehängt hat. Allen meinen Mitbewerber_innen wünsche ich viel Glück – mögen sie entsprechend ihrer individuellen Ambitionen und Maßstäbe und unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Ethnie, sozialen Zugehörigkeit oder Herkunft erfolgreich sein.