Wendelin Bitzan

Wendelin Bitzan

Skripte Musiktheorie

Liebe Kolleg_innen und Gleichgesinnte, ich habe während des vergangenen Semesters Unterrichtsskripte für zwei meiner musiktheoretischen Lehrveranstaltungen an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf erstellt, die sich an Studierende des Nebenfachs Musikwissenschaft richten. Bei Interesse könnt ihr die Skripte (Übersichtszettel und Arbeitsblätter) hier als PDF-Dateien herunterladen; beide wurden durch einen Moodle-Kurs mit Hörbeispielen und Noten ergänzt. Über eure Kommentare und Ergänzungsvorschläge zu diesen Materialien würde ich mich freuen, um sie für den nächsten Einsatz noch optimieren zu können. Herzlichen Dank im Voraus!

Musiktheoretisches Propädeutikum: Übersichtsblätter
Seminar Formenlehre: Übersichtsblätter

Abschied vom Lehrauftrag

Heute habe ich meine letzten beiden Unterrichtsstunden als Lehrbeauftragter der Humboldt-Universität zu Berlin erteilt und damit ein Kapitel meiner beruflichen Laufbahn abgeschlossen. Trotz des bestürzend geringen Einkommens, das eine freiberufliche Tätigkeit in der musiktheoretischen Nebenfachlehre abwirft, war es ein Vergnügen, meine größtenteils höchst engagierten und klug kommunizierenden Studierenden bei der Entwicklung ihrer musikalischen Lese- und Hörfähigkeit zu unterstützen. Dennoch bin ich froh, niemals wieder als akademische Honorarkraft arbeiten zu müssen. Das Konzept Lehrauftrag ist eines der verkommensten und ausbeuterischsten Produkte des deutschen Universitätsbetriebs, und auch wenn die Stundensätze der Berliner Hochschulen in naher Zukunft auf ein Minimum von 35 € steigen werden, besteht wenig Grund zu der Annahme, dass die Arbeitsbedingungen für das freiberufliche akademische Personal sich maßgeblich verbessern werden.

Die Untiefen der Funktionstheorie

Es erstaunt mich immer wieder, in welcher Weise die deutsche Funktionstheorie nach wie vor angewendet und gelehrt wird, scheinbar ohne die kritischen Ansätze und Erweiterungen der letzten Jahrzehnte zur Kenntnis zu nehmen. Schaut euch einmal die folgende Passage an, die einem derzeit in Gebrauch befindlichen Harmonielehre-Skript einer deutschen Musikhochschule entstammt. Die Selbstbezogenheit und Dogmatik der propädeutischen Funktionstheorie wird bereits in der Kapitelüberschrift (»Der Subdominantquintsextakkord in Grundstellung«) deutlich. Ich bin gespannt auf eure Meinungen.

»Ebenso wie die Dominante besitzt auch die Subdominantfunktion eine charakteristische Dissonanz. Es ist die Sexte, die uns schon im S6 begegnet ist […], dort allerdings nicht als Dissonanz. […] Die neu hinzutretende Sexte [in Fehldeutung Rameaus als ›sixte ajoutée‹ bezeichnet] verhält sich zum Bass konsonant. Der neue Ton lässt aber die Quinte in Bezug auf ihn selber zur Sekund- bzw. Septimdissonanz werden, welche der korrekten Auflösung bedarf.« (Manfred Dings, Harmonielehre I. Skript zur Übung im Wintersemester 2017/18, Hochschule für Musik Saar 2017, S. 40; vgl. auch: Wilhelm Maler, Beitrag zur Harmonielehre, Leipzig 1931, S. 15).

Chopins Barcarolle

Gerade habe ich die Stichvorlage und den Kritischen Bericht für meine erste wissenschaftliche Notenausgabe abgeschlossen, die im Laufe des nächsten Jahres beim Bärenreiter-Verlag erscheinen wird. Es handelt sich um eines der schönsten Klavierwerke Fryderyk Chopins, die Barcarolle Fis-Dur op. 60 aus dem Jahr 1846. Die Quellenlage ist kompliziert und zum Teil verwirrend: es gibt zwei Autographe, drei parallel veröffentlichte Erstausgaben und zwei von Chopin annotierte Schülerexemplare, die ich auf Abweichungen und mögliche Widersprüche untersucht habe, sowie einige jüngere Druckausgaben. Nun freue ich mich, demnächst den neuen Notensatz Korrektur lesen zu können, zu dem Hardy Rittner die Fingersätze und einen aufführungspraktischen Kommentar beisteuern wird.

Täter im Frack: Tatsächlich?

Ich habe mich kürzlich in eine Facebook-Diskussion mit der VG Musikedition, der Verwertungsgellschaft für das deutsche Musikverlagswesen, involviert. Es ging um deren jüngste Publikation über das Kopieren von Noten, die in weiten Teilen auf einer älteren Broschüre des gleichen Autors Thomas Tietze (»Täter im Frack«) basiert. In einem latent bedrohlichen Tonfall neigt der Text dazu, Musikerinnen und Musiker als »Raubkopierer« zu kriminalisieren und durch Mangel an juristischem Fachwissen bedingtes Verhalten als »illegale Handlung« zu brandmarken. Mittels dieser Publikation und des Hashtags #keinenotenkopieohnelizenz vermittelt die VG Musikedition durchgängig die Auffassung, dass jede Kopie einer Notenausgabe lizenzierungspflichtig sei, ungeachtet des Alters des Urhebers bzw. der Edition. Berücksichtigt man allerdings, dass ein großer Anteil des Musikrepertoires längst gemeinfrei ist, wird dies als propagandistische Desinformationspolitik erkennbar. Mein Austausch mit dem Geschäftsführer Christian Krauß (zumindest glaube ich, dass er mein Dialogpartner gewesen ist) kann in den Screenshots unter diesem Post eingesehen werden.