300 Seiten. 156000 Wörter. 982000 Zeichen. 710 Fußnoten. Rund 300 zitierte Quellen. 128 Notenbeispiele. Etwa 6 Jahre Arbeit. — Dies ist meine musikwissenschaftliche Doktorarbeit, betitelt »The Sonata as an Ageless Principle«, die ich heute an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien eingereicht habe. Es handelt sich um eine gattungshistorisch-analytische Studie zu den frühen Klaviersonaten Nikolaj Metners, die ich als Ausprägungen eines traditionellen Paradigmas der Instrumentalmusik und aus verschiedenen analytischen Perspektiven untersucht habe. Diejenigen von euch, die sich für den Volltext interessieren, werde ich gern über die bevorstehende Open-Access-Publikation auf dem Laufenden halten. Einstweilen sind hier ein Abstract der Arbeit und ein vorab veröffentlichtes Kapitel über die Charakteristika von Metners Tonsprache zu finden.
Ein kleines Lied
Gespannt sehe ich der Aufführung meiner Komposition »Lyrisches Diptychon« für zwei Frauenstimmen und Klavier entgegen, die am kommenden Sonntag, 23. September, 17 Uhr, erstmals im Berlin-Brandenburger Umland gegeben wird – als Bestandteil eines spannenden Konzertprogramms des Trio 2achtundachtzig, bestehend aus Anne-Sophie Balg, Caroline Seibt und Marina Mitrovski, in der Dorfkirche Kleinmachnow. Neben meiner Vertonung von Marie von Ebner-Eschenbachs »Ein kleines Lied« werden noch viele weitere Volkslieder und Volkslied-Adaptionen erklingen. Fasst euch ein Herz, nehmt einen Bus und kommt dazu! So weit draußen ist das gar nicht.
Zur Person: NJ
Sehr verehrte Dramen und Zerren, ich möchte euch einen der größten Heuchler im deutschen Musikbetrieb vorstellen: Enjott Schneider. Als erfolg- und einflussreicher, mit allen berufsständischen und akademischen Weihen dekorierter Vertreter der Filmmusikbranche sowie als Präsident des Deutschen Komponistenverbands lässt dieser Mensch keine Gelegenheit aus, das System, das ihn ernährt und seine Machtposition ermöglicht hat, zu verunglimpfen. Hier folgen einige Belege seiner eklatanten Doppelmoral:
(1) In einer Online-Diskussion über Sinn und Unsinn des Begriffs ›Maestro‹ äußert er sich in spottender und herablassender Weise über das deutsche Klassik-Publikum, dem er pauschal Eitelkeit und Oberflächlichkeit unterstellt: »Der Konzertbesucher ist selten ein mündiger Bürger: so simpel gestrickt wie die Boris-Becker-Fans. […] Man will den Star, an den man seine Sehnsüchte und Frustrationen delegieren kann. […] Die wollen den Masochismus der ewig gestrigen Unterdrücktheit.« (orthographische Fehler von mir korrigiert)
(2) In einem Interview in der aktuellen nmz lobt er in euphorischen Tönen die chinesische Regierung für ihre Kulturpolitik, vor allem aber für das Sponsoring seines gigantischen letzten Opernprojekts, bei dem paradiesische Produktionsbedingungen herrschten. Gleichzeitig schmäht er erneut die europäische Musikszene für ihren kurzlebigen Kapitalismus: Angeblich »ordnet sich alles dem Kapital und ökonomischen Prinzipien unter«, vorherrschend sei »der Hyperindividualismus des Egos«, und »›Kunstfreiheit‹ ist längst zur Augenwischerei geworden«.
Dazu fällt mir nur ein: Enjott, hör auf, dich über das System zu beklagen. Du bist einer von dessen mächtigsten Akteuren, also fang doch mal damit an, Missstände zu verbessern, wenn du tatsächlich etwas verändern willst. Wenn nicht, dann genieße bitte einfach deinen Reichtum und verschone die Öffentlichkeit mit solchem Geschwätz.
Das Elend der Musikhochschulen
Wie kann die Beschäftigungsfähigkeit für Absolventen künstlerischer Musikstudiengänge wiederhergestellt werden? Ich prangere diese Problematik schon seit einiger Zeit an. Nun findet hier jemand die richtigen Worte, um den absurden und bedauernswerten Zustand der professionellen Musikausbildung in Deutschland zu charakterisieren. Bitte lest und verbreitet dieses bemerkenswerte Interview mit Esther Bishop im VAN Magazin, geführt von Sophie Wasserscheid. Es wird Zeit für einen Paradigmenwechsel, um das gegenwärtige, von Dysfunktionalität, Selbstbezogenheit und Fehladministration gekennzeichnete System zu modernisieren und seine Curricula von Grund auf neu zu denken. Doch kluge Worte allein werden nicht viel bewirken – und ich bin sehr skeptisch, ob es den Musikhochschulen möglich ist, aus sich selbst heraus Reformen zu initiieren und durchzuführen.
Forschungsfreuden
Nachdem ich aus einem wunderbaren Urlaub in Dänemark zurückgekehrt bin, stürze ich mich nun mit allen Kräften in die Vollendung meiner Doktorarbeit. Jeder Winkel meines Denkens und Fühlens ist von Metners Musik durchdrungen, die mich, des stickigen Wetters ungeachtet, bei Laune zu halten vermag. Die heutige Ausbeute: Sechs Seiten kondensierter englischer Fließtext, 11 pt, 1.5 cm Seitenrand, einfacher Zeilenabstand. Uff.