Wendelin Bitzan

Wendelin Bitzan

Zeit für einige Geständnisse

(1) Ich esse zuviel und schlafe zuwenig.
(2) Ich sollte mich mehr bewegen, anstatt Sport im Internet zu schauen.
(3) Ich liebe meinen Job und habe kein Problem damit, für eine gewisse Zeit zum Arbeitsplatz zu pendeln, allerdings fliege ich zu häufig. Das ist ein moralisches Dilemma. Ich würde zweifellos die Bahn nehmen, wenn diese eine pünktliche, verlässliche und bezahlbare Alternative wäre – leider trifft keines dieser Kriterien zu. Zugtickets von Berlin nach Düsseldorf kosten durchschnittlich 70 € (Sparangebote sind in den frühen Morgenstunden, wenn ich abfahren müsste, sehr selten). Die Reisezeit beträgt etwa 5 Stunden von Tür zu Tür; da aber zwei von drei Zugverbindungen durch das Ruhrgebiet deutlich verspätet sind, stellt dies kaum eine empfehlenswerte Option dar, angesichts des Umstands, dass ich mittags beginnen muss, um mein Lehrdeputat zu schaffen. Mein Arbeitgeber erstattet keine Fahrtkosten, so dass ich trotz meiner Abneigung gegen Flughäfen und Flugzeuge darauf angewiesen bin, so günstig wie möglich statt nachhaltig zu reisen. Der Flugpreis bei Eurowings beträgt 29 bis 39 € für die gleiche Strecke bei einer Reisezeit von weniger als dreieinhalb Stunden (solange der Flughafen Tegel noch in Betrieb ist, wohlgemerkt). Seit ich vor knapp zwei Jahren Berufspendler wurde, bin ich nicht ein einziges Mal zu spät gekommen.

Dies zeigt nicht in erster Linie, dass ich ein sorgloser Opportunist bin (was manche Leute behaupten mögen). Vielmehr deutet dieses Beispiel darauf hin, dass die neoliberale deutsche Verkehrspolitik permanent falsche Anreize für Reisende schafft. Man handelt zu Gunsten der Automobilindustrie (des vermeintlichen ›Rückgrats‹ unserer Wirtschaft), während der fortschreitenden Herunterwirtschaftung des Personenverkehrs der Bahn nicht etwa durch geeignete Maßnahmen Einhalt geboten, sondern noch Vorschub geleistet wird. Es scheint politischer Wille zu sein, dass Bahnfahren teurer und unzuverlässiger ist als Fliegen. Mir fehlt leider die Phantasie, auf welche Weise sich dieser Zustand zukünftig verbessern könnte, freue mich aber wie stets über eure Meinungen und Ideen.

Tonkünstlerverband im Tiefschlaf

Seit der Mitgliederversammlung vor fünf Wochen ist der DTKV Berlin, die berufsständische Vertretung der Berliner Musikerinnen und Musiker, inaktiv. Der neu gewählte geschäftsführende Vorstand und der neue Vorsitzende Detlef Bensmann sind bisher nicht in Erscheinung getreten. Die Onlinepräsenzen des DTKV Berlin sind nicht aktuell: Die Webseite listet nach wie vor den alten Vorstand auf, und auch die SocialMedia-Accounts des Verbands werden vernachlässigt. Da der Vorstand offenbar keine Notwendigkeit sieht, an die Öffentlichkeit zu treten, seien hier die wichtigsten Informationen zusammengefasst:

Ein musikalischer Abschiedsgruß

Gestern besuchte ich die Abschiedsfeier des ehemaligen Kammerchors der Universität der Künste Berlin, in dem ich während der letzten vierzehn Jahre gesungen und an zahlreichen Aufführungen mitgewirkt habe. Es war eine emotionale und an wertvollen Gesprächen reiche Zusammenkunft derjenigen Sängerinnen und Sänger, die den Chor bis zuletzt begleitet haben. Ich beteiligte mich mit einem Klaviervortrag von Max Regers Nachtlied op. 138 Nr. 3, das ich in einer eigenen, zu diesem Anlass entstandenen Transkription spielte (hier sind die Noten meiner Fassung zu finden, dazu eine Aufnahme des Originalstücks mit dem Kammerchor). Mit dieser Komposition, einem der intimsten und berührendsten Werke des Chorrepertoires, verbinde ich einige unvergessliche Erinnerungen an das Musizieren mit meinen Chorkolleginnen und Kollegen, für die ich zutiefst dankbar bin.

Unterstützung für freiberufliche Lehrkräfte

In den folgenden Neuigkeiten geht es um zwei Berufsgruppen der freiberuflichen Musikszene, denen ich meine Solidarität und Unterstützung ausdrücken möchte. Bitte teilt und postet diese Nachricht weiter, wenn es euch ebenso geht.

(1) Die Bundeskonferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen und die Initiative OrchesterlanD haben eine gemeinsame Kampagne gestartet, die auf eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Lehrbeauftragte an deutschen Musikhochschulen abzielt. Es wird gefordert, die derzeit übliche Praxis der Vergabe von Lehraufträgen, die einseitig durch einen Verwaltungsakt und in einem Rechtsverhältnis eigener Art geschieht, in privatrechtliche Arbeitsverträge umzuwandeln. Siehe dazu auch das Statement der BKLM zur Ethik und Würde der Arbeit der Lehrbeauftragten.

(2) Der Berliner Senat hat für freiberufliche Musikschullehrer an öffentlichen Musikschulen eine Honorarerhöhung um 40 Prozent beschlossen. Allerdings scheint die zuständige Senatsverwaltung die dafür notwendigen Mittel im nächsten Doppelhaushalt nicht rechtzeitig bereitzustellen. Das Bündnis Berliner Musikschullehrer und die Landeslehrervertretung der Berliner Musikschulen haben einen Protest gegen dieses nicht nachvollziehbare Versäumnis initiiert. Unterstützung ist dringend vonnöten.

Paradigmenwechsel beim DTKV Berlin

Die gestrige Mitgliederversammlung des Deutschen Tonkünstlerverbands Berlin war eine turbulente und zum Teil chaotische Sitzung von knapp vier Stunden. Obwohl die Tagesordnung nicht abgeschlossen werden konnte, sind einige Ergebnisse zu vermelden: Die meisten der vormaligen Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands haben sich zurückgezogen oder sind abgewählt worden, und ein neuer Vorstand ist im Amt. Es sind erhebliche Änderungen im Selbstverständnis und in der Arbeitsweise des Berufsverbands zu erwarten, und es zeichnet sich ab, dass die zukünftige Arbeit sich deutlich von der bisherigen unterscheiden wird. Darüber hinaus wurde eines unserer engagiertesten Mitglieder, gegen das der ehemalige Vorstand ein unberechtigtes Verbandsausschlussverfahren betrieben hatte, von der Versammlung rehabilitiert. Weitere Informationen werden folgen, sobald sich der neue Vorstand konstituiert hat.