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Zehnjähriges Entzücken

Im Herbst 2009 nahm eine Geschichte ihren Anfang, deren Nachwirkungen bis heute anhalten und die mich auch künftig weiter umtreiben wird: Als ich mit der Einstudierung von Nikolai Metners Sonate-Ballade op. 27 begann, war ich sofort gefesselt von der raffinierten Dichte des Klaviersatzes, der Ausgewogenheit der Form und der intellektuellen Tiefe der Musik. Meine nachhaltige Faszination für Metners Kunst wurde durch die Beschäftigung mit diesem Werk ausgelöst und übertrug sich bald auf große Teile seines Schaffens.

Ein Jahrzehnt später, nach zahlreichen Artikeln, Präsentationen und einer Dissertation, fühle ich mich berufen, den ersten Satz dieser anspruchsvollen Komposition erneut als Pianist in Angriff zu nehmen. Mit Spannung und Freude darf ich zwei Anlässe ankündigen, zu denen ich ein Gesprächskonzert über die Sonate-Ballade präsentieren werde: zunächst als Bestandteil eines Hauskonzerts bei meiner geschätzten Kollegin Ekaterine Chvedelidze in Berlin-Prenzlauer Berg, stattfindend (in Übereinstimmung mit der Opuszahl!) am kommenden Freitag, 27. September, ab 19 Uhr – eine Wegbeschreibung gibt es auf Anfrage. Der zweite Auftritt, diesmal in englischer Sprache, folgt am Freitag, 4. Oktober, um 11 Uhr im Kleinen Saal der Musikakademie Odessa, und zwar im Rahmen des Festivals MedtnerFest XXI, an dem teilzunehmen ich die Ehre habe. Wie stets wird es mein größtes Vergnügen sein, meine Bemühungen durch eure geschätzte Gegenwart belohnt zu wissen.

Ein wegweisendes Festival am See

Ich habe das Detect Classic Festival in Neubrandenburg besucht, ein dreitägiges, von Konstantin Udert und Joseph Varschen entwickeltes und kuratiertes multistilistisches Eventformat. In bezaubernder Atmosphäre am Ufer des Tollensesees präsentierte das Festival ein vielfältiges Line-up mit klassischer und elektronischer Musik, die in zwei vormals militärisch genutzten Industriehallen aufgeführt wurde. Trotz der musikalischen Stilvielfalt (die ich bemerkenswert fand, auch wenn zeitgenössische Kunstmusik und Jazz weitgehend fehlten), war mein Eindruck, dass das klassische Konzertpublikum und die Partygänger_innen sich nicht tatsächlich miteinander vermischten. Die Eckpunkte des Programms, Orchesterkonzerte der Jungen Norddeutschen Philharmonie, des Ensemble Reflektor und des famosen Stegreif.Orchester, zogen ein anderes und deutlich zahlreicheres Publikum an als die übrigen Darbietungen, vermutlich bedingt durch die Bewerbung der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, in deren Rahmen die Veranstaltung stattfand. Es stellt sich die Frage, ob traditionelles Klassik-Marketing überhaupt geeignet ist, ein Festival zu promoten, das gerade auf die Überwindung von Genregrenzen und Publikumsgruppen abzielt. Eine erfolgreiche Verbindung zwischen Konzertsaal- und Clubkultur lässt sich wahrscheinlich nicht durch das Musikmanagement, sondern am ehesten durch das Wirken und die Aufgeschlossenheit der Künstler_innen verwirklichen. In dieser Hinsicht haben mich die Performances von Alexej Gerassimez, dem Ensemble Deep Strings und der Band AFAR am meisten beeindruckt. Ungeachtet meiner leichten Zweifel war das Festival eine überaus lohnende Erfahrung, die meine Perspektive auf den Musikbetrieb erneut geweitet und verdeutlicht hat, was bei der Gestaltung zeitgemäßer Konzertveranstaltungen getan werden kann und sollte.

Musik aus Stettin

Herzliche Grüße aus Stettin, wo ich heute ein famoses Symphoniekonzert in der gerade fünf Jahre alten Mieczysław-Karłowicz-Philharmonie erleben durfte. Dieser Ort ist ein akustischer und architektonischer Hochgenuss, und es ist mir fast unangenehm zu gestehen, dass ich zuvor niemals von ihm gehört habe. Soweit ich sehe (und es sich dabei nicht um meine eigene Ignoranz handelt), scheint die deutsche Fachpresse die Einweihung dieses Konzertsaals im Jahr 2014 nicht angemessen gewürdigt oder sie aufgrund der medienwirksamen Eröffnungen der Elbphilharmonie Hamburg und des Pierre Boulez Saals verdrängt zu haben. Liebe Berliner: Warum erwägt ihr nicht eine Tagesreise, um dieses nur 150 Kilometer entfernte Juwel kennenzulernen? Man bietet dort einen vielseitigen Konzertkalender mit durchdachten und niedrigschwelligen Musikvermittlungsangeboten, und Rune Bergmann tritt als ein inspirierender Chefdirigent in Erscheinung. Am besten gefällt mir jedoch der Umstand, dass dank einer Kooperation mit Stettiner Musikschulen während der Konzertpausen Schülerinnen und Schüler im oberen Foyer auftreten und die Gelegenheit erhalten, sich mit kurzen Stücken einem wohlwollenden und zahlreichen Publikum zu präsentieren – eine höchst gelungene Synergie aus Kulturpolitik und musikpädagogischer Initiative.

Eine Elfenbeinturmtagung in Freiburg

Es ist Zeit für einen kurzen Rückblick auf eine schöne Reise ins Breisgau, wo ich vom 10. bis 12. April 2019 am ersten Kongress des kürzlich gegründeten Forschungs- und Lehrzentrums Musik teilgenommen habe. Die Tagung fand in der Musikhochschule Freiburg statt und wurde gemeinsam mit der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg durchgeführt. Der Titel »Zwischen Elfenbeinturm und Employability« ließ einen Themenschwerpunkt auf den Karriereaussichten für Musiker_innen vermuten; die Veranstaltung erwies sich jedoch eher als Selbstpräsentation der interdisziplinären Arbeit an den beiden beteiligten Institutionen. Dies stellte einen Wert für sich dar, und ich war höchst beeindruckt von verschiedenen Vorträgen, Darbietungen und Unterrichtsdemonstrationen – allerdings wurden auch die begrenzte Perspektive und der Mangel an Impulsen von außerhalb deutlich. In meinen Augen leidet die derzeitige Situation der professionellen Musikausbildung in Deutschland an zwei gravierenden Fehlentwicklungen: (1) die extreme Schwierigkeit, von einem Anstellungsverhältnis oder einer freiberuflichen Tätigkeit als Musiker_in leben zu können, die zum Teil durch die Unfähigkeit (oder den Unwillen) der Musikhochschulen, ihre Absolventen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, verursacht wird; und (2) sinkendes Ausbildungsniveau und stetig schwindende Aussichten für den einheimischen Nachwuchs, woraus ein mittlerweile absurd hoher Anteil ausländischer Studierender resultiert. Keines dieser Probleme wurde bei dem Freiburger Kongress thematisiert. Die nächste Veranstaltung dieser Art wird nicht ohne einen offenen Call for Contributions auskommen können, und ihr Themenspektrum sollte auch die Erforschung und Diskussion von Karrierewegen vor und nach der Hochschulausbildung einschließen.

Verteidigung voraus

Liebe Wienerinnen und Wiener, es ist mir ein Vergnügen, die öffentliche Verteidigung meiner Doktorarbeit – einer musikwissenschaftlichen Studie zu den Klaviersonaten des russischen Komponisten Nikolaj Karlovič Metner – anzukündigen. Die Teilnahme wird eure Frühaufsteher-Qualitäten auf die Probe stellen; solltet ihr diese Herausforderung jedoch annehmen wollen, wäre ich hocherfreut, euch am kommenden Freitag, 5. April, um 9 Uhr im Sitzungssaal des Rektorats in der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien begrüßen zu dürfen. Die Präsentation schließt ein 20minütiges Referat sowie eine 40minütige Disputation mit der Doktoratskommission ein.

Ein zweisprachiges Abstract der Dissertation findet ihr an diesem Ort.
Hier gibt es weitere Informationen über meine Forschung zu Metners Musik.