Compositions
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Geschlechterbastionen in Orchestern

In Deutschland gibt es 129 öffentlich finanzierte Tariforchester. Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Musikinformationszentrums ist das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Angestellten in den meisten Orchestern signifikant unausgewogen; die Zahlen variieren in Abhängigkeit vom Instrument und von der Dienststellung bzw. vom Einkommen. Die größten Ungleichheiten gibt es bei den Planstellen für Tuba (zu 98,1 % mit Männern besetzt) und für Harfe (93,7 % Frauen). Ich erwäge, diese Missverhältnisse zum Gegenstand einer neuen Komposition zu machen, und möchte ein Duo für eine Tubistin und einen Harfenisten schreiben, in dem beide Musiker_innen während des Spielens auch ihre Singstimme einsetzen. Das Stück soll außerdem musikalisch auf Josquin Desprez Bezug nehmen, dessen Tod sich in diesem Jahr zum 500. Mal jährt. Falls ihr potentielle Interpret_innen kennt oder selbst in Frage kommt und an einer Widmung interessiert seid, meldet euch gern!

Dreiklangstransformationen

Ich habe ein kurzes Analysevideo zu dem Miserere aus Carlo Gesualdos Responsorien zum Karsamstag erstellt. In den Akkordfortschreitungen zu Beginn wird die modale Harmonik durch chromatisierte Stimmführung angereichert; die entstehenden Klangfolgen können als Transformationen im Sinne der Neo-Riemannian Theory aufgefasst und in einem Eulerschen Tonnetz visualisiert werden. Das Beispiel ist simpel, aber dennoch faszinierend, und eignet sich gut für einen Einstieg in die Analyse mit Hilfe harmonischer Transformationen.

Für diejenigen von euch, die sich für meine Kompositionen interessieren, stehen einige neue Aufnahmen auf SoundCloud bereit: ein Volkslied-Duett aus meinem Lyrischen Diptychon für zwei Singstimmen und Klavier, und zwei Ausschnitte aus der Duo-Suite Am Waldesrand für Gitarre und Marimbaphon.

 

Aria und Fughetta nach Bach

Johann Sebastian Bachs Motette Komm, Jesu, komm BWV 229 schließt mit der Aria Drum schließ ich mich in deine Hände, einem choralähnlichen Satz, den ich besonders für seine harmonische Vielfalt mit nicht weniger denn fünf Kadenzstufen und sein ausgedehntes, reich verziertes Schlussmelisma liebe. Der Text des barocken Dichters Paul Thymich ist ein tief berührendes Dokument poetischer Hingabe an den Schöpfer im Angesicht des Todes – dies bewog mich, die Komposition zum Begräbnis meiner Großmutter am Anfang dieser Woche aufzuführen. Zu diesem Zweck habe ich eine dreistimmige, auf Tasteninstrumenten spielbare Fassung der Komposition angefertigt und sie durch eine knappe Fughetta über das Thema der ersten Liedzeile ergänzt. In der Hoffnung, dass der traurige Anlass seiner Entstehung die Rezeption nicht trüben möge, stelle ich das Werklein hier der geneigten Öffentlichkeit anheim.

Eine elektrische Sonate

Eine der lohnendsten Entscheidungen, die ich im Zusammenhang mit meiner kompositorischen Tätigkeit getroffen habe, war es, meine Partituren im Internet frei verfügbar zu machen. Infolge dieses Schritts haben sich zahlreiche Aufführungen und Aufnahmen meiner Musik ergeben, die allein dadurch zustande gekommen sind, dass Interpret_innen und Dirigent_innen auf der Suche nach neuem Repertoire gern auf IMSLP oder anderen Webseiten nach bestimmten Gattungen oder Instrumentenkombinationen stöbern. Dieses Vorgehen ist sicher nicht bedingungslos zu empfehlen, da es gute Gründe geben mag, die eigene Musik nicht kostenlos zur Verfügung zu stellen – für mich funktioniert es allerdings gut. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf meine jüngste Komposition hinweisen, deren Notensatz soeben vollendet worden ist: Sonata elettrica für verstärkte Gitarre und Klavier. Es handelt sich um ein virtuoses Kabinettstückchen für eine eher unübliche Duo-Besetzung, das nach einem klassisch ausgebildeten E-Gitarristen mit Affinität zum kammermusikalischen Experiment verlangt. Mein Dank geht an Siamak Sattari, mit dessen Beratung der Gitarrenpart ausgearbeitet worden ist.

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Komponieren mit Schüler_innen

Das Musiktheatervermittlungsprojekt YOUR_Street.Scene am Theater Magdeburg, an dem ich mitwirken durfte, hat einen gelungenen Abschluss gefunden. Es hat mir Freude bereitet, mit einer Anzahl von Schüler_innen des Internationalen Gymnasiums Pierre Trudeau in Barleben zu arbeiten und sie bei der Entstehung einer Gruppenkomposition anzuleiten. Am Ende stand eine Partitur für Klaviersextett mit einer Spieldauer von etwa vier Minuten. Ursprünglich war diese als Ouvertüre für eine Outdoor-Szenerie konzipiert worden, die von den Schüler_innen in Anlehnung an Kurt Weills Oper Street Scene in Magdeburg gestaltet werden sollte. In Anbetracht der aktuellen Bedingungen mussten wir auf eine Live-Aufführung verzichten; an deren Stelle wurden zwei Videotrailer produziert, die die musikalische und choreographische Arbeit dokumentieren.