<span class="vcard">Wendelin Bitzan</span>
Wendelin Bitzan

Aktivitäten in diesem Herbst

Ein straffer Zeitplan erwartet mich in den beiden kommenden Wochen. Trotz der bevorstehenden Herausforderungen freue ich mich, wieder unterwegs sein zu können, und Kolleg_innen und Freunde bei den folgenden Anlässen zu treffen:
(a) 23. September, 8:30 Uhr: Online-Teilnahme an der 10. European Music Analysis Conference, veranstaltet durch das Moskauer Konservatorium, mit einem Vortrag über Beethoven, Taneev und Metner. Sagt Bescheid, wenn ihr die Präsentation verfolgen möchtet.
(b) 24. September, 12:00 Uhr: 20. Symposium der Deutschen Schostakowitsch Gesellschaft an der Universität der Künste Berlin, wo ich mit einem Referat zu Schostakowitschs Passacaglia-Sätzen der 1940er Jahre beteiligt bin.
(c) 29. September, 17:30 Uhr: 17. Internationale Konferenz der Gesellschaft für Musikforschung an der Universität Bonn, wo ich noch einmal über Beethoven, Taneev und Metner sprechen werde.
(d) 2. Oktober, 15:00 Uhr: 21. Jahreskongress of the Gesellschaft für Musiktheorie an der Hochschule für Musik Basel mit einer Präsentation der Webseite Musiktheorie Digital, gemeinsam mit drei geschätzten Kolleg_innen.

Vielfalt im Musiktheorieunterricht

Während des vergangenen Semesters habe ich in meinen Lehrveranstaltungen versucht, Musik von Frauen und Composers of Colour hörbarer und sichtbarer zu machen. Dies führte zu einigen hochinteressanten Entdeckungen von Werken, deren Existenz mir zuvor nicht bewusst war, und es bereitete mir große Freude zu sehen, wie gut sich die neuen Beispiele in den Unterricht integrieren ließen. Es gibt so viel hörens- und betrachtenswerte Musik jenseits des klassischen ›Kanons‹ (den ich nicht ausschließen, sondern durch weniger bekannte Kompositionen ergänzen möchte), und angesichts einiger sehr positiver Reaktionen von Studierenden sehe ich keinen Anlass, nicht auf diese Weise fortzufahren. Tatsächlich war die Diversifizierung der Musikbeispiele ein so leichter und naheliegender Schritt, dass ich mich frage, warum ich dies nicht schon früher getan habe.

Hier folgt eine Liste von Komponist_innen, deren Musik mir in den vergangenen vier Monaten die inspirierendsten und lohnendsten Gegenstände zur Beschäftigung im Unterricht lieferte (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Maddalena Casulana, Raffaella Aleotti, Francesca Caccini, Anna Amalia von Preußen, Joseph Bologne de Saint-Georges, Juliane und Louise Reichardt, Maria Theresia Paradis, Sophie Westenholz, Maria Szymanowska, Louise Farrenc, Emilie Mayer, Pauline Viardot, Ella Adaevskaja, Cécile Chaminade, Mélanie Bonis, Ethel Smyth, Amy Beach, Leokadija Kašperova, Elena Gnesina, Florence Price, Germaine Tailleferre und Lili Boulanger.

Husumer Raritäten

Von heute an werde ich eine reichliche Woche in der hübschen nordfriesischen Stadt Husum verbringen, um das Festival Raritäten der Klaviermusik zu besuchen. Ich bin sehr gespannt auf die vielversprechenden Konzerte von Hiroaki Takenouchi, Simon Callaghan, Peter Froundjian, Florian Noack, Andrej Gugnin, Zlata Chochieva, Ludmila Berlinskaja & Arthur Ancelle und anderen, und freue mich darauf, für das VAN Magazin über das Festival zu berichten.

Weitere Ideen zur professionellen Musikausbildung

Mein Hinweis auf die folgenden beiden Artikel kommt etwas verspätet, soll aber nicht fehlen, denn beide Texte repräsentieren bemerkenswerte Positionen zur Ausgestaltung des Musikstudiums an deutschen Hochschulen und Universitäten und dürften auch einige Wochen später noch Anlass zur Würdigung und weiteren Diskussion liefern.

Im April 2021 veröffentlichte der Komponist Fabien Lévy einen längeren Artikel in der nmz mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für mehr Vielfalt in den musikalischen Repertoires und Vermittlungsweisen der Hochschulausbildung. Der Essay sollte nicht allein als theoretische Darstellung oder polemische Abrechnung mit den fetisch-artigen Merkmalen der klassischen Musiktradition angesehen werden, sondern kann als ein mögliches Modell für die Gestaltung zukünftiger Curricula und Studienprogramme dienen.
Im Mai 2021 publizierte die Initiative StuM, ein neu gegründeter Zusammenschluss von achtzehn Studierendenschaften deutscher Musikhochschulen, gemeinsam mit dem FZS einen Brandbrief, in dem eine Anzahl von Missständen im Ausbildungssystem thematisiert werden – insbesondere unter den Umständen der derzeitigen Pandemielage. Alle Punkte erscheinen erwägenswert, vor allem vor dem Hintergrund, dass hier erstmals Forderungen aus einer Perspektive artikuliert werden, die das Engagement und die Bedürfnisse der Studierenden als Hauptprotagonist_innen der Musikhochschullehre sichtbar machen und zum Ausdruck bringen, dass der Status quo nicht länger hinnehmbar ist.

Reformprojekt Musikhochschule

Seit einigen Monaten präsentiert die Initiative Neue Musikhochschule auf ihrer Webpräsenz ein umfassendes alternatives Konzept zu dem traditionellen, durch Hierarchien und festgefügte Machtstrukturen gekennzeichneten System der professionellen Musikausbildung. An die Stelle von Meisterlehre, Geniekult und Leistungsdruck soll ein inhaltlich offenes und ganzheitliches akademisches Lehren und Lernen treten, das nach konsensualen Prinzipien organisiert ist; das kreative und innovative Potential musischer Ausbildung soll unter der Voraussetzung der Gleichwürdigkeit und Mündigkeit aller Beteiligten neu gedacht werden. Auch wenn das Konzept einige wichtige administrative und inhaltliche Aspekte (etwa die Aufgabe traditioneller Repertoirebeschränkungen) bisher noch nicht thematisiert, verdienen die Ideen der Initiatoren Hans-Christian Hauser, Sebastian Haas und Hayo Keckeis größtmögliche Beachtung und Würdigung, wozu ich mit diesem Text beitragen möchte.