Wendelin Bitzan

Wendelin Bitzan

Ganzheitliche Förderung statt nur Steuererleichterung

In der derzeitigen Debatte um die Umsatzsteuerbefreiung von Musikunterricht fehlt mir ein wenig der kulturpolitische Weitblick. Aus der Perspektive der Bildungsträger und Dienstleister:innen wird zu Recht befürchtet, dass sich durch eine Umsatzsteuerpflicht von Unterrichtsangeboten, die nicht zweifelsfrei einem gemeinnützigen oder berufsvorbereitenden Zweck dienen, oder durch einen verkomplizierten Prozess des Antragsverfahrens zur Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht die Bildungsungerechtigkeit verstärkt, weil die steigenden Kosten letztlich zu Lasten der Endverbraucher:innen gehen dürften und damit diejenigen, die vom Unterricht profitieren sollen, stärker belastet würden. Eine vollständige Harmonisierung des nationalen Umsatzsteuerrechts mit der korrespondierenden EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die eine umfassende Steuerbefreiung von Bildungsdienstleistungen vorsieht, ist notwendig, um Musikunterricht für alle Bevölkerungsschichten finanzierbar zu machen und eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten privater Anbieter zu vermeiden (siehe auch die Positionierung der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände). Bei dieser Gelegenheit teile ich nochmals die mit diesem Ziel korrespondierende Petition mit der Bitte, diese mitzuzeichnen.

Allerdings greift diese Forderung meines Erachtens zu kurz: Für eine flächendeckende und nachhaltige Ermöglichung von musikalischer Grundausbildung unabhängig von Einkommen und sozialem Status der Familien bedarf es nicht nur einer Steuerentlastung, sondern auch einer verbesserten kommunalen und staatlichen Förderung. Jeder qualifizierte außerschulische Musikunterricht ist gemeinwohlorientiert und müsste, unabhängig davon, ob er in öffentlicher Trägerschaft, durch freie Institutionen oder durch Soloselbstständige angeboten wird, gewissermaßen mit einer negativen Steuer in Form von Subventionen ausgestattet sein, um Sozialverträglichkeit und Bildungsgerechtigkeit zu gewährleisten. Neben einer allgemeinen Umsatzsteuerfreiheit von Musikunterricht, unabhängig von dessen institutionellem Rahmen und der Rechtsform der Dienstleister:innen, braucht es dafür einen Ausbau von Finanzierungsmodellen, wie ihn der Bundesverband der Freien Musikschulen bereits seit Jahren fordert: die Aufstockung des Bildungsgutscheins und die vollständige steuerliche Absetzbarkeit der Gebühren für Musikunterricht. Würde die öffentliche Hand die für die Endverbraucher:innen entstehenden Kosten grundsätzlich zu 50 % subventionieren, könnte es gelingen, Unterrichtsentgelte von den Einkünften der Lehrkräfte und Betriebskosten der Anbieter zu entkoppeln, so dass die Interessen der Anbieter:innen und Kund:innen nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden können. Eine faire und existenzsichernde Honorierung der Lehrkräfte wäre legitimierbar, ohne wie bisher den Vorwurf zu riskieren, dass Musikunterricht dadurch zu teuer wird. Haushaltspolitisch würde eine solche Subventionslösung eine Verlagerung der Steuerlast von Bildungsträgern auf umsatzstärkere und gewinnorientierte Bereiche der Musikwirtschaft erfordern, die auf diese Weise musikalische Basisausbildung stärker mitfinanzieren würden.

Musiktheorieunterricht mit digitalen Tools

Mein Artikel »The Digital Music Theory Classroom: Considerations for Technology-Based Teaching at Music Universities« wurde nun in der ZGMTH, der Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie, veröffentlicht. Der Beitrag präsentiert ein Konzept für den Musiktheorieunterricht, das auf dem Einsatz von digitalen Medien, Online-Plattformen und kollaborativen Dokumenten basiert. Zwei verschiedene Strategien werden vorgestellt, die sich im Hinblick auf die Organisation der Lehrveranstaltungen unterscheiden: ein Blended-Learning-Modell und ein Ansatz, der flexible Kontaktphasen und Inverted-Classroom-Einheiten kombiniert. Beide Wege sind geprägt durch eine Mischung aus Präsenz- und Online-Unterricht und können durch asynchrone E-Learning-Phasen ergänzt werden.

Das Vokalsystem singt Piccinni

Ich stehe erneut mit dem Vokalsystem Berlin auf der Bühne. Wir werden in dieser Woche erstmals als Opernchor in Erscheinung treten und verkörpern die Menschen aus Karthago und Troja in Niccolò Piccinnis Kassenschlager Didon, einer tragédie lyrique, die es am Ende des 18. Jahrhunderts auf über 250 Aufführungen brachte. Die halbszenische Produktion ist Teil des diesjährigen Programms der Kammeroper Schloss Rheinsberg am 25., 27. und 28. Juli. Wir sind gemeinsam mit der Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Bernhard Forck zu hören. Wenn ihr Lust auf ein unterhaltsames Opernerlebnis am Seeufer habt, besucht diese Webseite für Tickets.

Elektronisches Konzert des Vokalsystem

Herzliche Einladung zu den Sommerkonzerten des Vokalsystem Berlin! Wir präsentieren ein elektronisches Chorkonzert namens [ˈkʁiːzə] mit Musik von Claudio Monteverdi, Benjamin Britten, Melissa Dunphy, Caroline Shaw, Ted Hearne, Radiohead und weiteren Urheber*innen. Chorleiter Johannes David Wolff und Pianist Artschi Loyan sprühen bereits vor Spielfreude und Kreativität, und ich bin sicher, dass es großartig wird. Es gibt noch Karten für die Veranstaltungen am Freitag, 12. Juli, 20 Uhr, sowie am Samstag, 13. Juli, 18 oder 20 Uhr im Monopol Berlin in der Provinzstraße 40–44, 13409 Berlin (ein sehr spannender Ort für Vokalmusik). Folgt diesem Ticketlink, wenn ihr kommen möchtet.

Streaming Releases #10–12

Eine Auswahl meiner Klavierstücke, entstanden während meiner Studienzeit und Lehrauftragsjahre, ist nun auf allen Streamingportalen verfügbar. Auf den Aufnahmen bin ich selbst zu hören. Hinterlasst gern ein Like oder Playlist-Add, wenn ihr mögt!

  • Skulpturen, ein vierteiliger Klavierzyklus (2009), repräsentiert durch die etüdenartige Nummer Drei
  • Novemberklage (2013), ein ausladendes Lamento in düsterer und herbstlicher Stimmung
  • Kinderkaleidoskop (2015), eine Suite aus kurzen Stücken für meine damals vier Jahre alte Tochter