Wendelin Bitzan

Wendelin Bitzan

Prolongation der Online-Lehre

In der vergangenen Woche hat das dritte digitale Semester an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf begonnen, und der ursprünglich für einen Notbehelf gehaltene Online-Unterricht fühlt sich mittlerweile erstaunlich vertraut an. Ich habe versucht, meine Lehrmethodik weiterzuentwickeln, und werde nun regelmäßig kollaborative Dokumente und Tools für die Musikanalyse und für satztechnische Übungen nutzen. Jamboard und Noteflight versprechen die die Interaktion im Unterricht zu bereichern und können möglicherweise auch die Bereitschaft der Studierenden erhöhen, sich mit peer assessment und Möglichkeiten der Selbstevaluation zu beschäftigen. Im Gehörbildungsunterricht und beim integrierten Lernen im Wechsel zwischen synchronen und asynchronen Vermittlungsformen erhoffe ich mir kreative Impulse durch den Einsatz von Shared Piano, einem interaktiven On-Screen-Klavier, mit dessen Hilfe bis zu zehn Personen simultan musizieren können. Ich bin allerdings weiterhin nicht schlüssig, auf welche Weise schriftliche Musiktheorie-Prüfungen vollständig digitalisiert werden können, um bei der Ergebnisübermittlung ohne Scans oder Fotografien von Papierarbeitsblättern auszukommen.

Besonders gespannt bin ich auf ein Repertoirekunde-Seminar, das ich für Studierende der instrumentalen Hauptfächer und für das Ergänzungsfach Musikwissenschaft anbiete. Wir werden die faszinierende Musik des russischen Silbernen Zeitalters erkunden und uns Werken von Skrjabin, Rachmaninov, Metner, Mjaskovskij, des frühen Stravinskij und Prokof’ev sowie weniger bekannter Figuren wie der Gnesin-Geschwister, Aleksandrov und Roslavec widmen. Falls ihr interessiert seid, das Seminar als Gasthörer_in zu verfolgen, lasst es mich gern wissen.

Bemitleidenswertes

Wie viele andere Menschen, die kontroverse Inhalte veröffentlichen oder im Netz eine starke individuelle Meinung vertreten, erhalte ich gelegentlich abwertende oder gar hasserfüllte Reaktionen auf meine Äußerungen. Diese Kommentare beziehen sich meist auf unverfängliche fachbezogene Posts und verunglimpfen meine Arbeit auf einer oberflächlichen Ebene, sind aber offenbar auf mein öffentliches Agieren als Ganzes und die diesem zu Grunde liegende Haltung gerichtet, indem sie (gleichwohl mit beschränkten sprachlichen Mitteln) generelle Ablehnung oder Widerspruch zu meinen berufsständischen oder politischen Positionen ausdrücken. Die unten zitierten Wortmeldungen stammen vermutlich von ein und derselben Person unter verschiedenen Pseudonymen. Ich werde keine weiteren Maßnahmen ergreifen, durch welche die armselige und vulgäre Misanthropie des Urhebers dieser Zeilen unangemessene Würdigung fände, möchte aber dennoch das Bewusstsein für solche und ähnliche Fälle schärfen. Letztlich sind derartige Reaktionen geeignet, als Bestätigung für die Wirksamkeit des eigenen öffentlichen Agierens zu dienen, selbst wenn dessen Reichweite vergleichsweise gering ist, und sich durch billige Provokationen nicht beirren zu lassen.

Gedanken zur Urheberrechtsreform

Die bevorstehende Reform des deutschen Urheberrechts im Zuge der Harmonisierung nationaler Gesetzgebung mit den neuen EU-Richtlinien (insbesondere der DSM-Direktive) beinhaltet einige Änderungen im UrhG und VGG, denen ich größtenteils positiv gegenüberstehe. Ein Paragraph im Gesetzentwurf irritiert mich jedoch: Verwertungsgesellschaften wie etwa die GEMA werden voraussichtlich ermächtigt werden, kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung einzusetzen. Das bedeutet, dass die Rechtewahrnehmung auch im Namen von Nichtmitgliedern und Urheber_innen, die ihre Rechte nicht per Wahrnehmungsvertrag an die Verwertungsgesellschaft übertragen haben, erfolgen kann. Dies kann zum Problem werden, wenn Urheber_innen den Einsatz von CreativeCommons-Lizenzen oder anderer freier Lizenzmodelle bevorzugen (etwa im Rahmen des operativen Modells der Kooperative C3S), oder wenn sie sich entscheiden, gar keinen Urheberschutz in Anspruch zu nehmen. In solchen Fällen werden die Urheber_innen der ›automatischen‹ Rechtewahrnehmung aktiv widersprechen müssen, um diese zu verhindern. Komponist_innen und Arrangeur_innen bzw. deren Berufsverbände scheinen noch nicht auf diese Ausweitung der sogenannten GEMA-Vermutung – oder, in anderen Worten, auf die Festigung des Monopols der GEMA als einziger deutscher Verwertungsgesellschaft für musikalische Werke – reagiert zu haben. Ich denke, dass diese Angelegenheit zumindest kontrovers diskutiert werden sollte.

Panel zur musikwissenschaftlichen Promotion

Es war mir ein Vergnügen, mit Studierenden und jungen Musikforscher_innen über Bedingungen, Möglichkeiten und potentielle Schwierigkeiten einer musikwissenschaftlichen Promotion zu sprechen. Herzlichen Dank an den Dachverband der Studierenden der Musikwissenschaften (DVSM) für die Einladung, als Gastredner an eurem Online-Panel mitzuwirken, und für das Organisieren einer sehr informativen Diskussionsrunde. Für weitere Fragen stehe ich gern zur Verfügung!

Demnächst: Sammelband zu Metner

Mein aktuelles Buchprojekt nimmt Form an. Der Sammelband Nikolai Medtner: Music, Aesthetics, and Contexts, den ich gemeinsam mit Christoph Flamm herausgebe, nähert sich seiner Vollendung. Die letzten Textrevisionen sind im Gange, die Erstellung der Notenbeispiele ist abgeschlossen, und ich sehe der Veröffentlichung im Olms Verlag gespannt entgegen. Der Band wird zwölf Beiträge von Autor_innen aus Europa und Nordamerika enthalten; beteiligt sind Benjamin Bertin, Benjamin Brinner, Lesley Day, Patrick Domico, Alexander Karpeyev, Kelvin Lee, Kateryna Pidporinova, Nicolò Rizzi, Tatyana Shevchenko, Nathan Uhl sowie die beiden Herausgeber.