Teaching
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Abschied vom Lehrauftrag

Heute habe ich meine letzten beiden Unterrichtsstunden als Lehrbeauftragter der Humboldt-Universität zu Berlin erteilt und damit ein Kapitel meiner beruflichen Laufbahn abgeschlossen. Trotz des bestürzend geringen Einkommens, das eine freiberufliche Tätigkeit in der musiktheoretischen Nebenfachlehre abwirft, war es ein Vergnügen, meine größtenteils höchst engagierten und klug kommunizierenden Studierenden bei der Entwicklung ihrer musikalischen Lese- und Hörfähigkeit zu unterstützen. Dennoch bin ich froh, niemals wieder als akademische Honorarkraft arbeiten zu müssen. Das Konzept Lehrauftrag ist eines der verkommensten und ausbeuterischsten Produkte des deutschen Universitätsbetriebs, und auch wenn die Stundensätze der Berliner Hochschulen in naher Zukunft auf ein Minimum von 35 € steigen werden, besteht wenig Grund zu der Annahme, dass die Arbeitsbedingungen für das freiberufliche akademische Personal sich maßgeblich verbessern werden.

Die Untiefen der Funktionstheorie

Es erstaunt mich immer wieder, in welcher Weise die deutsche Funktionstheorie nach wie vor angewendet und gelehrt wird, scheinbar ohne die kritischen Ansätze und Erweiterungen der letzten Jahrzehnte zur Kenntnis zu nehmen. Schaut euch einmal die folgende Passage an, die einem derzeit in Gebrauch befindlichen Harmonielehre-Skript einer deutschen Musikhochschule entstammt. Die Selbstbezogenheit und Dogmatik der propädeutischen Funktionstheorie wird bereits in der Kapitelüberschrift (»Der Subdominantquintsextakkord in Grundstellung«) deutlich. Ich bin gespannt auf eure Meinungen.

»Ebenso wie die Dominante besitzt auch die Subdominantfunktion eine charakteristische Dissonanz. Es ist die Sexte, die uns schon im S6 begegnet ist […], dort allerdings nicht als Dissonanz. […] Die neu hinzutretende Sexte [in Fehldeutung Rameaus als ›sixte ajoutée‹ bezeichnet] verhält sich zum Bass konsonant. Der neue Ton lässt aber die Quinte in Bezug auf ihn selber zur Sekund- bzw. Septimdissonanz werden, welche der korrekten Auflösung bedarf.« (Manfred Dings, Harmonielehre I. Skript zur Übung im Wintersemester 2017/18, Hochschule für Musik Saar 2017, S. 40; vgl. auch: Wilhelm Maler, Beitrag zur Harmonielehre, Leipzig 1931, S. 15).

Stelle in Düsseldorf

Diese Woche werde ich eine neue Stelle als Dozent für Musiktheorie am musikwissenschaftlichen Institut der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf antreten und bin hochgradig gespannt auf diese neue Herausforderung. Ich werde für das künstlerische Lehrangebot im Rahmen des Bachelor-Ergänzungsfachs Musikwissenschaft der Heinrich Heine Universität Düsseldorf verantwortlich sein, darunter Seminare und Übungen in satztechnischen Grundlagen, Formenlehre, Klavierpraxis und Propädeutik der Musiktheorie. Einstweilen werde ich weiterhin in Berlin leben und für zwei Tage die Woche nach Düsseldorf pendeln.

Wandel an den Berliner Musikschulen?

Derzeit geschieht etwas an den öffentlichen Musikschulen Berlins, das seit einiger Zeit nicht mehr vorgekommen ist: Es werden Festanstellungen vorgenommen. An der Tatsache, dass die kommunale Musikausbildung fast vollständig in den Händen von Freiberuflern liegt, wird sich allerdings auf absehbare Zeit nichts ändern, auch wenn der Anteil der im Angestelltenverhältnis tätigen Mitarbeiter an den Bezirksmusikschulen nun von 7% auf 20% erhöht werden soll. Abgesehen von einer seltsamen Kontroverse zwischen Senat und Musikverbänden, wie vielen Vollzeitäquivalenten dieser Zuwachs entspricht, bleiben einige weitere Fragen offen. Sollten die neu geschaffenen Stellen öffentlich ausgeschrieben werden oder gezielt den freien Mitarbeiten einer Musikschule zu Gute kommen? Ist es hinnehmbar, wenn Bewerber_innen nur auf Grundlage eines Vorstellungsgesprächs eingestellt werden, ohne ihre Qualifikation in einer Lehrprobe oder einem Vorspiel nachzuweisen? Und schließlich: Weshalb werden Festanstellungen als wichtiger angesehen als grundsätzliche Fragen zum Qualitätsmanagement und zur Nachhaltigkeit der musikalischen Grundausbildung?

Ein delikates Vorsingen

Ich bin von meiner Alma mater eingeladen worden, mich im Rahmen des Berufungsverfahrens für eine Musiktheorie-Professur vorzustellen. Dies kommt, nach meinem nicht gerade ungetrübten Rückzug von dieser Institution im vergangenen Sommer, durchaus überraschend. Selbstverständlich nehme ich die Herausforderung an und werde mir ein hübsches Lehrpröbchen ausdenken, um mich nach Möglichkeit unvergesslich zu machen. Mal sehen, wie es läuft … Übrigens ist diese Ankündigung keineswegs ein datenschutzrechliches Problem, da die Fakultätsleitung die Namen aller für diese Stelle eingeladenen Kandidat_innen öffentlich am Schwarzen Brett ausgehängt hat. Allen meinen Mitbewerber_innen wünsche ich viel Glück – mögen sie entsprechend ihrer individuellen Ambitionen und Maßstäbe und unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Ethnie, sozialen Zugehörigkeit oder Herkunft erfolgreich sein.