Am vergangenen Dienstag habe ich an einer von Wolfgang Lessing an der Hochschule für Musik Dresden organisierten Podiumsdiskussion teilgenommen. Die Veranstaltung fand im Rahmen eines neu gegründeten Netzwerks zur Untersuchung von Konzepten und strukturellen Problemen der musikalischen Nachwuchsförderung in Deutschland statt. Es war ein vielseitiger und inspirierender Austausch mit Teilnehmer_innen aus verschiedenen Musikausbildungsstätten in Sachsen und Berlin. Mein Kollege Helge Harding und ich haben unsere Ideen für einen Paradigmenwechsel in der professionellen Musikausbildung präsentiert. Auch weitere heikle Themen kamen zur Sprache: etwa wurden Reformideen zu Studiencurricula und Bewertungssystemen für musikalische Leistungen diskutiert. Das künftige Engagement des Netzwerks wird sich darauf richten müssen, die Ideen zu bündeln und in den öffentlichen Raum zu tragen, um Politik und Verwaltungsorgane zu erreichen.
General
Polyprofessorabilitäten
Man sollte nicht denken, dass es möglich ist, zwei Professuren zur gleichen Zeit innezuhaben, zumal in einem so konkurrenzbetonten Metier wie der klassischen Musik – doch genau dies trifft auf zwei Mitglieder des Lehrkörpers an der Fakultät Musik der Universität der Künste Berlin zu. Die Geigerin Nora Chastain ist außerdem Professorin an der Zürcher Hochschule der Künste, und der Klarinettist François Benda lehrt auch an der Hochschule für Musik Basel. Nun kann man mit einigem Recht die Notwendigkeit bezweifeln, ein zweites Salär auf einem ohnehin schon hohen Gehaltsniveau zu beziehen. Entscheidender ist aber die Frage, wie die genannten Personen das mit der Betreuung zweier Hauptfachklassen verbundene Lehrdeputat bewältigen. Vielleicht verfügen sie über die seltene und beneidenswerte Fähigkeit der Bilokation?
Lehrbeauftragtenstreik steht bevor
Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass die freiberuflich tätigen Lehrbeauftragten an bayerischen Musikhochschulen für Mitte November 2017 einen zweiwöchigen Generalstreik planen, um ihrer Ablehnung gegenüber der Direktive des Kultusministeriums, die Institutionen den Beschäftigungsumfang ihrer freien Mitarbeiter prüfen zu lassen, Ausdruck zu verleihen. Lehraufträge sind in Bayern nur bis zu einem Umfang von 9 Semesterwochenstunden zulässig. Natürlich ist es aus Sicht der Betroffenen gut, sich zu organisieren und gegen die seit langer Zeit untragbaren Arbeitsbedingungen zu protestieren – allerdings ist das gewählte Mittel fragwürdig. Die Hochschulleitungen werden auf einen so kurzen Streik vermutlich kaum reagieren; die Streikenden verdienen einfach weniger und riskieren zudem ihre Weiterbeschäftigung. Notwendig wäre stattdessen eine Demonstration der Stärke und Unverzichtbarkeit dieser Berufsgruppe, die an den betreffenden Institutionen in vielen Fächern das Unterrichtsangebot sicherstellt. Eine effektivere Maßnahme wäre ein Streik innerhalb der Prüfungsphase am Semesterende; erst dann würden die Hochschulleitungen unter Druck geraten, weil das gesamte Prüfungsaufkommen auf die hauptamtlich Beschäftigten abgewälzt würde (was diese kaum hinnehmen könnten). Voraussetzung wäre allerdings, dass die Lehrbeauftragten Rückendeckung aus Berufsverbänden wie dem Deutschen Tonkünstlerverband und der Deutschen Orchestervereinigung erhielten.
Die für mich entscheidende Frage ist, ob Lehrbeauftragten wegen einer Überschreitung der zulässigen 9 SWS tatsächlich der Rauswurf droht, und falls ja, was dann als nächstes passiert. Gilt die Obergrenze nur für Tätigkeiten an den Musikhochschulen in München, Nürnberg, Würzburg und Augsburg, oder werden auch Lehraufträge in anderen Bundesländern berücksichtigt? Studierende und Lehrveranstaltungen, die bisher von Lehrbeauftragten betreut wurden, müssten künftig durch andere Dozent_innen versorgt werden – beabsichtigen die Hochschulen, noch mehr freie Mitarbeiter mit kleineren Deputaten zu beschäftigen, oder sollen neue Mittelbaustellen ausgeschrieben werden? In dem letzteren Fall wären die aktuellen Entwicklungen nicht notwendigerweise negativ zu bewerten.
Ein Wort zur UdK Berlin
Liebe Leute, ich muss etwas klarstellen. Offenbar sind Gerüchte im Umlauf, dass ich meine Lehrtätigkeit an der Universität der Künste Berlin aus anderen Gründen aufgegeben habe, als ich im Juli 2017 bekanntgab. Einige Personen scheinen mir taktisches Kalkül zu unterstellen: Indem ich die Universität verlassen hätte, würde ich einer in Kürze bevorstehenden Berufung zum Professor Vorschub leisten, weil ich dann angeblich kein »Hauskandidat« sei. Diese Geschichte, die der UdK Berlin und mir Nepotismus unterstellt, kursiert derzeit in der Musiktheorie-Szene an deutschen Musikhochschulen, und ich fühle mich deshalb zu einer kurzen Stellungnahme veranlasst.
Lasst es mich so formulieren: Das ist ein gewaltiger Blödsinn. Weder wurde mir irgendeine Position an der Fakultät Musik der UdK Berlin angeboten, noch habe ich mich für eine Stelle beworben mit höheren als den üblichen Erwartungen, für eine Besetzung berücksichtigt zu werden. Der Verdacht ist auch aus dem Grund absurd, dass die genannte Institution erst kürzlich einen langjährigen festen Mitarbeiter auf eine Professur berufen hat, ohne dass es Schwierigkeiten gab. Was mich selbst betrifft, so kann ich euch versichern, dass ich die Universität ohne die Aussicht oder auch nur Spekulation auf eine nachfolgende Anstellung verlassen habe. Zu dem Zeitpunkt, als ich die Entscheidung traf, die UdK Berlin zu verlassen, hatte ich keinerlei Kenntnisse über bevorstehende Ausschreibungen von Professuren an diesem Hause. Dies ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.
Metner im September
Dieser Monat hält mich mit zwei Aktivitäten in Atem, die beide die Musik Nikolaj Metners betreffen. Ich trage erneut zu einem Projekt der kognitiven Musikforschung an der EPF Lausanne bei, indem ich harmonische Analysen eines Bündels von Metners faszinierenden Märchen herstelle; auf diese Weise wird die Musik für Methoden der empirischen Musikforschung und computergestützten Analyse zugänglich gemacht. Am Monatsende werde ich zudem erstmals aktiv an einer Jahrestagung der Gesellschaft für Musikforschung teilnehmen und in der Universität Kassel ein Referat zu Metners monumentaler ›Nachtwind-Sonate‹ op. 25 Nr. 2 präsentieren, worauf ich sehr gespannt bin.