Wie viele andere Menschen, die kontroverse Inhalte veröffentlichen oder im Netz eine starke individuelle Meinung vertreten, erhalte ich gelegentlich abwertende oder gar hasserfüllte Reaktionen auf meine Äußerungen. Diese Kommentare beziehen sich meist auf unverfängliche fachbezogene Posts und verunglimpfen meine Arbeit auf einer oberflächlichen Ebene, sind aber offenbar auf mein öffentliches Agieren als Ganzes und die diesem zu Grunde liegende Haltung gerichtet, indem sie (gleichwohl mit beschränkten sprachlichen Mitteln) generelle Ablehnung oder Widerspruch zu meinen berufsständischen oder politischen Positionen ausdrücken. Die unten zitierten Wortmeldungen stammen vermutlich von ein und derselben Person unter verschiedenen Pseudonymen. Ich werde keine weiteren Maßnahmen ergreifen, durch welche die armselige und vulgäre Misanthropie des Urhebers dieser Zeilen unangemessene Würdigung fände, möchte aber dennoch das Bewusstsein für solche und ähnliche Fälle schärfen. Letztlich sind derartige Reaktionen geeignet, als Bestätigung für die Wirksamkeit des eigenen öffentlichen Agierens zu dienen, selbst wenn dessen Reichweite vergleichsweise gering ist, und sich durch billige Provokationen nicht beirren zu lassen.
Gedanken zur Urheberrechtsreform
Die bevorstehende Reform des deutschen Urheberrechts im Zuge der Harmonisierung nationaler Gesetzgebung mit den neuen EU-Richtlinien (insbesondere der DSM-Direktive) beinhaltet einige Änderungen im UrhG und VGG, denen ich größtenteils positiv gegenüberstehe. Ein Paragraph im Gesetzentwurf irritiert mich jedoch: Verwertungsgesellschaften wie etwa die GEMA werden voraussichtlich ermächtigt werden, kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung einzusetzen. Das bedeutet, dass die Rechtewahrnehmung auch im Namen von Nichtmitgliedern und Urheber_innen, die ihre Rechte nicht per Wahrnehmungsvertrag an die Verwertungsgesellschaft übertragen haben, erfolgen kann. Dies kann zum Problem werden, wenn Urheber_innen den Einsatz von CreativeCommons-Lizenzen oder anderer freier Lizenzmodelle bevorzugen (etwa im Rahmen des operativen Modells der Kooperative C3S), oder wenn sie sich entscheiden, gar keinen Urheberschutz in Anspruch zu nehmen. In solchen Fällen werden die Urheber_innen der ›automatischen‹ Rechtewahrnehmung aktiv widersprechen müssen, um diese zu verhindern. Komponist_innen und Arrangeur_innen bzw. deren Berufsverbände scheinen noch nicht auf diese Ausweitung der sogenannten GEMA-Vermutung – oder, in anderen Worten, auf die Festigung des Monopols der GEMA als einziger deutscher Verwertungsgesellschaft für musikalische Werke – reagiert zu haben. Ich denke, dass diese Angelegenheit zumindest kontrovers diskutiert werden sollte.
Panel zur musikwissenschaftlichen Promotion
Es war mir ein Vergnügen, mit Studierenden und jungen Musikforscher_innen über Bedingungen, Möglichkeiten und potentielle Schwierigkeiten einer musikwissenschaftlichen Promotion zu sprechen. Herzlichen Dank an den Dachverband der Studierenden der Musikwissenschaften (DVSM) für die Einladung, als Gastredner an eurem Online-Panel mitzuwirken, und für das Organisieren einer sehr informativen Diskussionsrunde. Für weitere Fragen stehe ich gern zur Verfügung!
Demnächst: Sammelband zu Metner
Mein aktuelles Buchprojekt nimmt Form an. Der Sammelband Nikolai Medtner: Music, Aesthetics, and Contexts, den ich gemeinsam mit Christoph Flamm herausgebe, nähert sich seiner Vollendung. Die letzten Textrevisionen sind im Gange, die Erstellung der Notenbeispiele ist abgeschlossen, und ich sehe der Veröffentlichung im Olms Verlag gespannt entgegen. Der Band wird zwölf Beiträge von Autor_innen aus Europa und Nordamerika enthalten; beteiligt sind Benjamin Bertin, Benjamin Brinner, Lesley Day, Patrick Domico, Alexander Karpeyev, Kelvin Lee, Kateryna Pidporinova, Nicolò Rizzi, Tatyana Shevchenko, Nathan Uhl sowie die beiden Herausgeber.
Akademisches Prekariat
Man kann von einer dramatischen Schieflage sprechen, wenn man einen vierstündigen Lehrauftrag für Nebenfächer ausschreibt und daraufhin mehr als 20 Bewerbungen aus drei Ländern erhält, die Hälfte davon von vielseitig ausgebildeten Künstler_innen und Wissenschaftler_innen mit Doktorgraden und anderen Verdiensten. Der Umstand, dass sich Scharen hochqualifizierter Akademiker_innen noch im fortgeschrittenen Karrierestadium um unterbezahlte Beschäftigungsverhältnisse bemühen, ist bezeichnend für den desolaten Zustand, zu dem sich der universitäre Lehrbetrieb entwickelt hat. Für Hochschulleitungen als Arbeitgeber muss es hochgradig frustrierend sein zu beobachten, wie die eigenen Absolvent_innen einem übersättigten Arbeitsmarkt ausgesetzt werden – und erst recht in Zeiten einer Pandemie. Dieses System muss dringend reformiert werden.