<span class="vcard">Wendelin Bitzan</span>
Wendelin Bitzan

Das Urheberrecht und das russische Internet

Viele Musiker:innen werden mit gewissen Quellen im russischen Internet vertraut sein, von denen man Partituren oder Fachliteratur herunterladen kann, die bisher nicht gemeinfrei sind. Von Plattformen wie ScorSer, dem Tarakanov-Archiv und ähnlichen Webseiten dürften die meisten Kolleg:innen zumindest gehört haben. Es gibt einen Fall, den ich besonders bemerkenswert finde: die dem Werk Jurij Nikolaevič Cholopovs gewidmete Seite www.kholopov.ru schließt eine elektronische Bibliothek ein, in der Scans etlicher verhältnismäßig aktueller musikwissenschaftlicher und musiktheoretischer Schriften in russischer, englischer und deutscher Sprache erhältlich sind. So werden unter dem Namen eines der prominentesten russischen Musikgelehrten des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl von Urheberrechtsverletzungen verursacht. Dieser Zustand wird sich in absehbarer Zeit kaum ändern, gerade in der aktuellen Situation, aber das bedeutet nicht, dass man sich dieser und ähnlicher Fälle nicht bewusst sein sollte. — NB: Im Jahr 2004 ist in Russland die urheberrechtliche Schutzfrist von 50 auf 70 Jahre post mortem auctoris verlängert worden.

Musizieren allein verbindet nicht

Mein Kommentar über die deutsche Musikverbandslandschaft, berufsständische Interessenvertretung und die Chancen und Schwierigkeiten des Eintretens für die Belange freischaffender Musiker:innen ist im VAN Magazin erschienen. Ich freue mich auf eure Gedanken und Meinungen zu diesem vielschichtigen Gegenstand.

GMTH International Music Theory Lectures

Die Gesellschaft für Musiktheorie hat eine neue internationale Vortragsreihe ins Leben gerufen, und ich freue mich, an der Organisation beteiligt zu sein. Das Projekt geht auf eine Idee meines Kollegen Stephan Schönlau zurück, der sich seit dem letzten Jahr eine intensive Planungsphase in der Arbeitsgruppe Internationales der GMTH angeschlossen hat – nun wird die Reihe tatsächlich realisiert. Den Eröffnungsvortrag wird kein Geringerer als Kofi Agawu halten, der sich am 25. April 2022 um 19:30 MESZ dem Thema »Rethinking (American) Music Theory, with African Aid« widmen wird. Auf den Vortrag folgt eine Respondenz und offene Diskussion. Alle Interessierten sind eingeladen, sich über dieses Formular zur Teilnahme anzumelden.

Neuerungen in der Verbandsarbeit

Derzeit bin ich mit der Vorbereitung der diesjährigen ordentlichen Mitgliederversammlung des DTKV Berlin beschäftigt. Während der sehr produktiven letzten sechs Monate haben wir im Vorstand einige Schritte auf dem Weg zur Modernisierung und Professionalisierung des größten Berliner Musik-Berufsverbands getan: wir haben eine neue Satzung und Geschäftsordnung verabschiedet, eine cloudbasierte Vereinsverwaltung samt Mitgliederportal in Betrieb genommen, unsere Öffentlichkeitsarbeit neu aufgestellt und einige neue Kooperationen mit anderen Verbänden und Organisationen initiiert. Die derzeitigen Vorstandsmitglieder und ich selbst als stellvertretender Vorsitzender werden für eine weitere Amtszeit kandidieren. Obwohl es Kräfte im Verband gibt, die uns an der Fortsetzung unserer Arbeit hindern möchten, sind wir zuversichtlich, auch weiterhin für die Interessenvertretung insbesondere unserer freischaffend tätigen Mitglieder und für deren berufspolitische Anliegen eintreten zu können.

Kunst und Politik in unheilvoller Allianz

Das institutionalisierte Kulturleben in Russland ist eng mit der Regierung verbunden. Etliche hochrangige Künstler:innen und Hochschullehrer:innen in leitenden Positionen, darunter die Rektoren des Moskauer Konservatoriums, Aleksandr Sokolov, und der Gnesin-Musikakademie, Aleksandr Ryžinskij, haben eine Erklärung unterschrieben, dass sie Putins Krieg in der Ukraine unterstützen, wie ein Artikel der TASS belegt. Heute hat die Pianistin Elizaveta Miller ihre Lehrtätigkeit am Institut für Tasteninstrumente des Moskauer Konservatoriums gekündigt, um ihrem Protest gegen die Haltung der Institution Ausdruck zu verleihen, und kam damit möglicherweise ihrer Entlassung zuvor. Nicht viele Hochschulangehörige werden solch einen mutigen Schritt gehen können. Ich plädiere weiterhin nachdrücklich dafür, den persönlichen Kontakt mit russischen Künstler:innen und Musiker:innen auf nicht-institutioneller Ebene aufrecht zu erhalten; derweil wird es mit jedem Tag deutlicher, dass es notwendig ist, alle Zusammenarbeit mit staatlichen russischen Organisationen zu beenden. Dieses Regime und seine Unterstützer:innen müssen boykottiert werden. #standwithukraine #нетвойне