<span class="vcard">Wendelin Bitzan</span>
Wendelin Bitzan

Ein unbequemer Solitär

Einer der streitbarsten Musikwissenschaftler aller Zeiten hat die Bühne verlassen: Vor wenigen Tagen starb Richard Taruskin (1945–2022). Als Musikforscher und ausübender Musiker hat er, wo auch immer er in Erscheinung trat, Kontroversen erzeugt oder befeuert. Sein Verdienst ist es, den Fachdiskurs in einer Weise polarisiert und polisitiert zu haben, dass der Diskurs über (klassische) Musik zu einer öffentlichen Angelegenheit von unangefochtener gesellschaftlicher Relevanz wurde. Insbesondere bei der Erforschung russischer Musik, auf die große Teile seiner produktiven Publikationstätigkeit gerichtet waren, hat er neue Maßstäbe gesetzt; dabei hat er wiederholt Mythen der Musikgeschichtsschreibung entlarvt und verbreitete Forschungsmeinungen revidiert. Mit Sicherheit werden auch diejenigen, die ihm energisch widersprochen haben, bedauern, dass seine Stimme nun verstummt ist. Mein eigener Nachruf ist heute im VAN Magazin erschienen.

Kammerdialog in Düsseldorf

Ich freue mich, die bevorstehenden Aufführungen meines Klaviertrios Kammerdialog. Eine Konversation mit Geige, Cello und Klavier ankündigen zu dürfen, das am 9. und 10. Juli mehrmals bei den Tagen der Kammermusik im Partika-Saal der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf zu hören sein wird. Das Stück stammt bereits aus dem Jahr 2008, ist aber erst zwei Mal öffentlich gespielt worden, und auch dies ist schon eine ganze Weile her. Deshalb schätze ich mich glücklich über die Unterstützung der Cellistin Inés Bueno López und des Geigers Enrique Carlsson, die gemeinsam mit mir jeweils zwei Mal an den folgenden Terminen zu erleben sein werden. Eine herzliche Einladung sei hiermit ausgesprochen.

  • Samstag, 9. Juli 2022, ab 19 Uhr: gemeinsam mit Klaviertrios von Beethoven und Clara Schumann
  • Sonntag, 10. Juli 2022, ab 11 Uhr: flankiert von weiteren Trios von Haydn und Schostakowitsch

Kleine Lobpreysung

Eine meiner prägendsten Lehrerpersönlichkeiten, die nachhaltig beeinflusst hat, wie ich Musik höre und über sie nachdenke, ist der Musiktheoretiker, Kontrabassist, Mathematiker im Herzen und Philantrop Stefan Prey. Zum Ende des Sommersemesters 2022 wird er von der Fakultät Musik der Universität der Künste Berlin, an der er vier Jahrzehnte lang gelehrt hat, seinen Abschied nehmen. Seine Laufbahn lässt sich als still und hingebungsvoll bezeichnen: er strebte niemals nach öffentlicher Darstellung oder Reputation, sondern konzentrierte sich auf die Themen, die ihn faszinierten, und erwies sich als ein bedingungsloser Förderer der Interessen und Belange seiner Studierenden – mit einer Aufrichtigkeit und Redlichkeit, die ich nirgendwo sonst erlebt habe. Das Erscheinungsbild seiner Webseite sagt mehr über seine Persönlichkeit aus, als ich hier darzustellen in der Lage bin. Ich kann lediglich sagen, dass meine Art zu unterrichten und mein grundsätzlicher Ansatz, Musik aufzufassen und zu verstehen, sich zu wesentlichen Teilen dem Vorbild Stefans verdankt. Und so bin ich dankbar und geehrt, meinen Teil zu der Online-Festschrift zu seinem 65. Geburtstag beitragen zu können: einen analytischen Beitrag über Musik von Amy Beach, der hier abrufbar ist. Vielen herzlichen Dank!

Die Mannigfaltigkeit (der Geschichte) der Musiktheorie

Erst jetzt habe ich Alexander Rehdings Blogpost-Folge »Can the History of Music Theory Be Decentered« in voller Länge zur Kenntnis genommen (originale Fassung hier). Der Text stammt bereits aus dem Jahr 2020, ist aber kürzlich ins Deutsche übersetzt und auf dem Blog musiconn.kontrovers veröffentlicht worden (siehe hier). Die Lektüre hinterlässt mich fasziniert, inspiriert und ein wenig ratlos. Den Kanon ›westlicher‹ Kunstmusik und Musiktheorie zu hinterfragen – was mich bereits seit einiger Zeit umtreibt – ist eine Sache; den nächsten Schritt zu tun, in Aktion zu treten und Curricula und Lehrinhalte zu überdenken stellt weiterhin eine bemerkenswerte Herausforderung für Menschen dar, die durch ein nicht-diverses akademisches Umfeld geprägt sind. Solche Prozesse müssen offensichtlich in den Köpfen beginnen und benötigen einige Zeit, um sich zu materialisieren. Ich bin auf dem Weg.

Neues Mandat im DTKV Berlin

Mit großer Freude darf ich bekanntgeben, als stellvertretender Vorsitzender des Deutscher Tonkünstlerverbands Berlin wiedergewählt worden zu sein. Es ist mir eine Ehre, während der nächsten Jahre gemeinsam mit meinen Kolleg:innen im Vorstand das Verbandsleben weiter gestalten zu können. Vielen Dank an Simon Borutzki, Liz Franzen, Alf Schulze, Agnes Stein von Kamienski, Jens Domeyer und Anne Uerlichs für die produktive Zusammenarbeit, auf deren Fortsetzung ich sehr gespannt bin. Neue Verbandsmitglieder sind herzlich willkommen – nehmt gern Kontakt auf für weitere Informationen.