Wie viele andere Berufe und Branchen leidet auch die Musikpädagogik unter einem drastischen Fachkräftemangel. Insbesondere in Grundschulen fehlt es an gut ausgebildetem Lehrpersonal. Der Deutsche Musikrat hat kürzlich eine Pressemeldung zu den Qualifikationen von Musiklehrkräften und die Anforderungen an deren Ausbildung veröffentlicht. Folgt man der Auffassung des Generalsekretärs Christian Höppner, so sollten die akademischen Standards für das Lehramtsstudium sich weiterhin an den Maßgaben der letzten Jahrzehnte orientieren und Studieninhalte auf traditionelle Gegenstände und Fächer ausgerichtet werden, um einer vermeintlich drohenden Deprofessionalisierung entgegenzuwirken.
In meinen Augen ist dies eine verfehlte und kurzsichtige Strategie. Die desolate aktuelle Situation ist Resultat des langjährigen Festhaltens an überkommenen Strukturen und Wertvorstellungen in der Lehramtsausbildung. Die Forderung des Musikrats wirkt in Zeiten, da sich das Kulturleben gewandelt und diversifiziert hat und Universitäten und Kulturverwaltungen bereits begonnen haben umzusteuern, völlig anachronistisch. Die elitären Ideale des Bildungsbürgertums aufrecht zu erhalten und den Verfall ehemals hoher Ausbildungsstandards zu beklagen, ist nicht hilfreich und führt nur tiefer in die Krise. Stattdessen sollte es darum gehen, mehr Abiturient:innen und potentielle Bewerber:innen für ein Musik-Lehramtsstudium zu gewinnen, indem wir Anreize für eine entsprechende Fächerwahl schaffen – durch Umgestaltung und Flexibilisierung der Curricula, Integration von verschiedenen Musikstilen, Kulturen und Instrumenten sowie neue Konzeptionen für Inhalte und Anforderungen von Eignungsprüfungen. Und schließlich muss der Beruf auch finanziell attraktiver werden, um dessen Image zu stärken und qualifizierte Absolvent:innen für den Arbeitsmarkt gewinnen zu können.
Diese Strategien würden das genaue Gegenteil einer Deprofessionalisierung oder gar eines »Verrats an den Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen«, wie Höppner es darstellt, bewirken. Durch die Möglichkeit, facheinschlägig qualifizierte und praxiserfahrene Referendare mit Bachelor-Abschluss einzustellen, zumindest solange der Notstand andauert, könnte der Situation an vielen Schulen effektiv begegnet werden, anstatt auf die zu niedrigen Zahlen von Master-Absolvent:innen mit Heerscharen von Quer- und Seiteneinsteiger:innen zu reagieren. Wir benötigen keine langen und schwierigen Lehramtsstudiengänge mit künstlich hoch gehaltenem Niveau, sondern mehr Studienplätze und Bewerber:innen, um den derzeitigen und zukünftigen Bedarf zu decken und unsere Verantwortung wahrzunehmen, den nächsten Schülergenerationen gleiche Bildungschancen bieten zu können.