<span class="vcard">Wendelin Bitzan</span>
Wendelin Bitzan

Types and Prototypes: Studientag in Hamburg

Dieser Monat ist bereits übervoll mit Konferenzen und Symposien, aber die folgende Veranstaltung könnte sich tatsächlich lohnen zu verfolgen: Gemeinsam mit Patrick Becker und Roberta Vidic organisiere ich einen hybriden Studientag unter dem Titel Types and Prototypes: Towards a Theory of Compositional Models in East-European Music, der sich mit Theorien von Satzmodellen und Schemata in dem genannten Repertoire beschäftigen wird. Die Veranstaltung wird von der Hochschule für Musik und Theater Hamburg ausgerichtet und findet am kommenden Samstag, 18. Februar, 15–20 Uhr sowohl vor Ort als auch online via Zoom statt.

Wir freuen uns auf ein vielversprechendes Vortragsprogramm mit Musikwissenschaftler*innen und Musiktheoretiker*innen aus vier verschiedenen Ländern: Bart de Graaf (Amsterdam), Inna Klause (Hannover), Olha Kushniruk (Cambridge), Rebecca Mitchell (Vermont) und Jeff Yunek (Georgia). Der Studientag wird von Christoph Flamm (Heidelberg) moderiert. Alle interessierten Menschen sind herzlich zur Teilnahme eingeladen – Informationen zur Anmeldung finden sich auf dieser Webseite.

Schicksalslieder mit dem Vokalsystem Berlin

Ein weiteres spannendes Chorwochenende liegt hinter mir, an dem ich bei zwei aufeinanderfolgenden Konzerten in der Martin-Luther-Kirche Neukölln am 11. und 12 Februar Musik von Melissa Dunphy, Ēriks Ešenvalds und Johannes Brahms aufführen durfte, gemeinsam mit dem Vokalsystem Berlin, Johannes David Wolff und dem Pianisten Adrian Heger. Es war ein faszinierendes Ereignis in einer förmlich bewusstseinserweiternden Konzeptualisierung mit Beleuchtung, Nebel und immersiver Surround-Gesangsbeschallung. Ich freue mich bereits auf die nächste Probenphase!

Ein Panoptikum des vierstimmigen Satzes

Die letzte Woche meines Semesters an der Technischen Universität Dortmund ist vorüber und hat einen faszinierenden Höhepunkt (durchaus im wörtlichen Sinne) in der analytischen Auseinandersetzung mit Skrjabins Poème de l’extase erreicht. Zudem fand die Abschlusspräsentation meines Tonsatz-Seminars in Gestalt eines Werkstattkonzerts statt, bei dem die Studierenden elf verschiedene, in den letzten Monaten entstandene Arbeiten aufführten: Diskantlieder im Renaissance-Stil, lutherische Kantionalsätze und Choräle nach Vorbildern von Schütz und Bach, sowie romantische Liedsätze in vierstimmigen Adaptionen. Das Vokalensemble bestand aus zwölf engagierten Studierenden aus den Bachelor-Studiengängen Lehramt Musik und Musikjournalismus, wobei die Letzteren auch eine Anzahl von Programmtexten und Moderationen zum Konzert beisteuerten. Eine schöne und bereichernde Erfahrung – vielen Dank an alle Beteiligten!

 

Musiklehrermangel und Fragen der Qualifikation

Wie viele andere Berufe und Branchen leidet auch die Musikpädagogik unter einem drastischen Fachkräftemangel. Insbesondere in Grundschulen fehlt es an gut ausgebildetem Lehrpersonal. Der Deutsche Musikrat hat kürzlich eine Pressemeldung zu den Qualifikationen von Musiklehrkräften und die Anforderungen an deren Ausbildung veröffentlicht. Folgt man der Auffassung des Generalsekretärs Christian Höppner, so sollten die akademischen Standards für das Lehramtsstudium sich weiterhin an den Maßgaben der letzten Jahrzehnte orientieren und Studieninhalte auf traditionelle Gegenstände und Fächer ausgerichtet werden, um einer vermeintlich drohenden Deprofessionalisierung entgegenzuwirken.

In meinen Augen ist dies eine verfehlte und kurzsichtige Strategie. Die desolate aktuelle Situation ist Resultat des langjährigen Festhaltens an überkommenen Strukturen und Wertvorstellungen in der Lehramtsausbildung. Die Forderung des Musikrats wirkt in Zeiten, da sich das Kulturleben gewandelt und diversifiziert hat und Universitäten und Kulturverwaltungen bereits begonnen haben umzusteuern, völlig anachronistisch. Die elitären Ideale des Bildungsbürgertums aufrecht zu erhalten und den Verfall ehemals hoher Ausbildungsstandards zu beklagen, ist nicht hilfreich und führt nur tiefer in die Krise. Stattdessen sollte es darum gehen, mehr Abiturient:innen und potentielle Bewerber:innen für ein Musik-Lehramtsstudium zu gewinnen, indem wir Anreize für eine entsprechende Fächerwahl schaffen – durch Umgestaltung und Flexibilisierung der Curricula, Integration von verschiedenen Musikstilen, Kulturen und Instrumenten sowie neue Konzeptionen für Inhalte und Anforderungen von Eignungsprüfungen. Und schließlich muss der Beruf auch finanziell attraktiver werden, um dessen Image zu stärken und qualifizierte Absolvent:innen für den Arbeitsmarkt gewinnen zu können.

Diese Strategien würden das genaue Gegenteil einer Deprofessionalisierung oder gar eines »Verrats an den Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen«, wie Höppner es darstellt, bewirken. Durch die Möglichkeit, facheinschlägig qualifizierte und praxiserfahrene Referendare mit Bachelor-Abschluss einzustellen, zumindest solange der Notstand andauert, könnte der Situation an vielen Schulen effektiv begegnet werden, anstatt auf die zu niedrigen Zahlen von Master-Absolvent:innen mit Heerscharen von Quer- und Seiteneinsteiger:innen zu reagieren. Wir benötigen keine langen und schwierigen Lehramtsstudiengänge mit künstlich hoch gehaltenem Niveau, sondern mehr Studienplätze und Bewerber:innen, um den derzeitigen und zukünftigen Bedarf zu decken und unsere Verantwortung wahrzunehmen, den nächsten Schülergenerationen gleiche Bildungschancen bieten zu können.

Brahms, Hölderlin und Schiller

Ich freue mich, wieder einmal in einem chorsymphonischen Konzert mitwirken zu dürfen. Am nächsten Sonntag, den 22. Januar, führe ich mit dem Vokalsystem Berlin, Enchore und dem Berliner Sibelius Orchester Brahms‘ Schicksalslied op. 54 und Nänie op. 82 auf. Außerdem erklingen Orchesterwerke von Verdi and Sibelius. In diesem Konzert debütiert außerdem mein lieber Kollege Johannes David Wolff als Dirigent im Großen Saal der Berliner Philharmonie. Es gibt noch einige Restkarten – ich wäre höchst beglückt, euch dort zu treffen!