Ich möchte einige der Erkenntnisse aus meinem Analyseseminar zur Musik von Amy Beach mit euch teilen, zusammen mit einer Anzahl von Hörempfehlungen. Mehr zu diesem Thema wird im Rahmen des diesjährigen Kongresses der Gesellschaft für Musiktheorie vom 22.–24. September 2023 in Freiburg zu erleben sein.
Ein zentrales Merkmal von Amy Beachs kompositorischem Ansatz ist die Verarbeitung oder Wiederaufnahme von Vokalmusik in ihren Instrumentalwerken, etwa in Gestalt von Passagen oder Fragmenten aus früher komponierten Liedern oder durch die Verwendung von Volksmelodien. Dies geht über ähnliche Tendenzen im Schaffen von Schubert, Mendelssohn, Brahms oder Mahler hinaus – ich tendiere zu der Feststellung, dass ein signifikanter Anteil von Beachs instrumentalen Kantilenen aus Vokalmusik abgeleitet ist, also der Strategie »the song writ large« entspricht, wie Adrienne Fried Block es formulierte. Dies zeigt sich etwa in den langsamen Sätzen aus dem Klavierkonzert op. 45 (eine Transformation des Liedes Twilight op. 2 Nr. 1) und aus dem Klaviertrio op. 150 (der auf der Heine-Vertonung Allein op. 35 Nr. 2 basiert). Volksthemen werden integriert in Werken wie der Gaelic Symphony op. 32 (in der drei der vier Sätze irische Lieder verarbeiten), den Variationen über Balkanthemen op. 60 (in denen serbische und mazedonische Melodien verwendet werden) oder dem einsätzigen Streichquartett op. 89 (das auf Inuit-Melodien basiert), um eine ursprüngliche Atmosphäre, häufig in modaler harmonischer Färbung, zu erzeugen. Dies sind nur die auffälligsten Beispiele einer faszinierenden kompositorischen Strategie, die ich in den nächsten Wochen noch genauer untersuchen möchte.