Die hexatonische oder Ganztonleiter (Modus 1 nach Messiaen) ist nicht eigentlich diatonisch, sondern eine symmetrische Skala, die aus einer äquidistanten Teilung der Oktave in sechs Abschnitte entsteht. Dies resultiert in Stufen, die um jeweils zwei Halbtonschritte auseinander liegen – eine Eigenschaft, die der gängigen Definition von Diatonik als Unterkategorie von Heptatonik widerspricht, denn eine diatonische Skala erfordet sieben diskrete Stammtöne mit Ganz- und Halbtonschritten in eindeutiger Alteration. Dennoch ist es möglich, eine Ganztonleiter aus diatonischem Material zu konstruieren, wie ich im Folgenden zeigen möchte.
Zu diesem Zweck verwende ich die Tetrachordtheorie. Ein Tetrachord besteht aus vier benachbarten diatonischen Stufen im Ambitus einer reinen oder übermäßigen Quarte, wobei vier Varianten möglich sind, die sich durch die Existenz und Position eines Halbtonschritts unterscheiten: ionisch (2 2 1), dorisch (2 1 2), phrygisch (1 2 2) und lydisch (2 2 2: ohne Halbtonschritt). Wenn wir eine diatonische Skala als Kombination zweier disjunkter und um eine reine Quinte gegeneinander transponierter Tetrachorde betrachten, gibt es sieben Kombinationen, durch die sich die sieben diatonischen Modi bilden lassen – Äolisch besteht etwa aus einem unteren dorischen und einem oberen phrygischen Tetrachord, während Mixolydisch aus einem unteren ionischen und einem oberen dorischen Tetrachord besteht. Die achte Kombination hingegen verbindet zwei lydische Tetrachorde zu einer nichtdiatonischen Ganztonleiter, vorausgesetzt, man lässt die Transposition des oberen Tetrachords um eine verminderte (statt reine) Quinte zu. Die resultierende Skala (2 2 2 0 2 2 2) besitzt sechs Tonhöhen, verwendet aber dennoch alle sieben Stammtöne und weist in der Mitte eine verminderte Sekunde fis–ges auf. In ihrer plagalen Variante umfasst die Skala den Ambitus einer übermäßigen Septime ges–fis.
Interesting view on the whole tone scale. Is it influenced by early 20th century Russian harmony like Yavorsky?
Now the next step would be interesting to see this diatonic interpretation applied to whole tone passages. The main contradiction would be that commonly the six tone scale is regarded not to possess a root/ground note. Thinking of Debussy I mostly perceive a tonic feeling. Maybe you can argue for a tonic by your model?
Thank you for this remark! I’ll need to deal with Yavorsky’s modal theory in greater detail, but it seems as if his conception of tritone relations prevents him to accept the enharmonic identity of the augmented fourth and diminished fifth (which is crucial to my proposed construction of the whole-tone scale).
I agree that whole-tone scales are frequently applied in music with the clear notion of a stable root (for example, in the Prelude of Debussy’s Pour le piano). I would even go so far and say that there might be a ‚functional‘ air to the two modes (or transpositions) of the hexatonic scale—a tonic and a dominant form, with the former containing the root and the latter the leading tone(s). If we transpose my model up or down by a perfect fifth, we’d get two different ›dominant forms‹ centered around F or G, and comprising both B / C-flat and C-sharp / D-flat. This might be a possible application of the model to argue that there are possible roots in whole-tone scales. I’ll have to think this over …