Als ich im Jahr 2010 mein Musikstudium beendete, war ich geneigt zu glauben, dass sich die Ziele der akademischen Musikausbildung niemals ändern würden, und dass die Hochschulen weiterhin hochqualifizierte Absolvent:innen in großer Zahl hervorbringen würden, in Vorbereitung auf ein Berufsbild, das längst nicht mehr der Realität entsprach: feste Vollzeitanstellungen in Orchestern und an Bühnen. Ich hatte den Eindruck gewonnen, dass Hochschulleitungen nicht bereit oder nicht in der Lage waren, den Arbeitsmarkt für Musiker:innen und die Bedingungen und Anforderungen für Berufseinsteiger:innen genauer zu beobachten. Dem Umstand, dass die große Mehrheit der Absolvent:innen einer Patchwork-Karriere in hybriden Arbeitsumfeldern entgegensah, gekennzeichnet durch befristete freischaffende Tätigkeiten und prekäre Vergütungen, wurde keine Rechnung getragen. Insbesondere befanden sich die Zahlen der verfügbaren Studienplätze für die künstlerische Ausbildung im Vergleich zu denjenigen für Lehrtätigkeiten in Schulen und Musikschulen in einem gravierenden Missverhältnis. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde es eine dauerhafte Diskrepanz zwischen den Ausbildungszielen der Institutionen und den Erfordernissen des Arbeitsmarkts geben – dies war die vermeintlich einzig absehbare Zukunftsaussicht.
Immerhin besteht nach der Erfahrung der vergangenen Jahre Grund zur Hoffnung, dass sich etwas verändern wird. Viele Musikhochschulen haben auf die Herausforderungen der sich schnell wandelnden Branche reagiert und Lehrangebote zu den Themen Selbstmanagement und Berufskunde in ihre Curricula integriert; gelegentlich werden auch Veranstaltungen zur beruflichen Weiterentwicklung angeboten. Natürlich sind viele Gegebenheiten und Strukturen an den Hochschulen (die zum Teil noch in Traditionen und Arbeitsweisen verhaftet sind, die aus dem neunzehnten Jahrhundert stammen) nach wie vor optimierungsbedürftig. Das wohl dringlichste Desiderat scheint zu sein, das in den Hochschulen bisher fest verankerte Streben nach einer Elitenausbildung auf den Prüfstand zu stellen, und sich stattdessen auf pädagogische Expertise als wichtigstes Ausbildungsziel zu konzentrieren. In einem lesenswerten Interview im VAN Magazin beschreibt Lydia Grün, die neue Präsidentin der Hochschule für Musik und Theater München, einige Maßnahmen, die ihr für ihre Institution vorschweben, und zeigt eine beachtliche Offenheit und Bereitwilligkeit für Reformvorhaben. Ich hoffe, dass diese Haltung auf andere Hochschulleitungen inspirierend wirkt oder zumindest Überlegungen ähnlicher Art in den Führungsetagen hervorruft.