In der derzeitigen Debatte um die Umsatzsteuerbefreiung von Musikunterricht fehlt mir ein wenig der kulturpolitische Weitblick. Aus der Perspektive der Bildungsträger und Dienstleister:innen wird zu Recht befürchtet, dass sich durch eine Umsatzsteuerpflicht von Unterrichtsangeboten, die nicht zweifelsfrei einem gemeinnützigen oder berufsvorbereitenden Zweck dienen, oder durch einen verkomplizierten Prozess des Antragsverfahrens zur Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht die Bildungsungerechtigkeit verstärkt, weil die steigenden Kosten letztlich zu Lasten der Endverbraucher:innen gehen dürften und damit diejenigen, die vom Unterricht profitieren sollen, stärker belastet würden. Eine vollständige Harmonisierung des nationalen Umsatzsteuerrechts mit der korrespondierenden EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die eine umfassende Steuerbefreiung von Bildungsdienstleistungen vorsieht, ist notwendig, um Musikunterricht für alle Bevölkerungsschichten finanzierbar zu machen und eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten privater Anbieter zu vermeiden (siehe auch die Positionierung der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände). Bei dieser Gelegenheit teile ich nochmals die mit diesem Ziel korrespondierende Petition mit der Bitte, diese mitzuzeichnen.
Allerdings greift diese Forderung meines Erachtens zu kurz: Für eine flächendeckende und nachhaltige Ermöglichung von musikalischer Grundausbildung unabhängig von Einkommen und sozialem Status der Familien bedarf es nicht nur einer Steuerentlastung, sondern auch einer verbesserten kommunalen und staatlichen Förderung. Jeder qualifizierte außerschulische Musikunterricht ist gemeinwohlorientiert und müsste, unabhängig davon, ob er in öffentlicher Trägerschaft, durch freie Institutionen oder durch Soloselbstständige angeboten wird, gewissermaßen mit einer negativen Steuer in Form von Subventionen ausgestattet sein, um Sozialverträglichkeit und Bildungsgerechtigkeit zu gewährleisten. Neben einer allgemeinen Umsatzsteuerfreiheit von Musikunterricht, unabhängig von dessen institutionellem Rahmen und der Rechtsform der Dienstleister:innen, braucht es dafür einen Ausbau von Finanzierungsmodellen, wie ihn der Bundesverband der Freien Musikschulen bereits seit Jahren fordert: die Aufstockung des Bildungsgutscheins und die vollständige steuerliche Absetzbarkeit der Gebühren für Musikunterricht. Würde die öffentliche Hand die für die Endverbraucher:innen entstehenden Kosten grundsätzlich zu 50 % subventionieren, könnte es gelingen, Unterrichtsentgelte von den Einkünften der Lehrkräfte und Betriebskosten der Anbieter zu entkoppeln, so dass die Interessen der Anbieter:innen und Kund:innen nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden können. Eine faire und existenzsichernde Honorierung der Lehrkräfte wäre legitimierbar, ohne wie bisher den Vorwurf zu riskieren, dass Musikunterricht dadurch zu teuer wird. Haushaltspolitisch würde eine solche Subventionslösung eine Verlagerung der Steuerlast von Bildungsträgern auf umsatzstärkere und gewinnorientierte Bereiche der Musikwirtschaft erfordern, die auf diese Weise musikalische Basisausbildung stärker mitfinanzieren würden.